Tanzende Röcke und Kuchen aus Paris

Swirling skirts and cakes from Paris

 stephan huber

Die Stadtautobahn »Mittlerer Ring« schlug bis 2002 eine Schneise zwischen zwei Stadtteile. Anonymer Verkehr trennte diktatorisch zwei Wohngebiete, die nur durch eine provisorische Brücke verbunden waren. Es war ein öffentlicher Raum des Lärmes, des Gestankes und der Geschwindigkeit.

Die Entscheidung – hervorgegangen aus einem Bürgerbegehren –, einen Abschnitt des Mittleren Rings tiefer zu legen und mit einem Park zu überdecken, bescherte den Anwohnern die Verdoppelung des öffentlichen Raumes: unten das abgeschottete Inferno des Verkehrs, oben die neu zu planende Idylle des Parks. Über der Straße wird ein Plateau ­liegen, das von Menschen genutzt wird: ungezwungener, langsamer und richtungsloser. Kommunikation ist unmittelbar an die Menschen gebunden. Durch die Verdoppelung des öffentlichen Raumes rücken die bisherigen tristen Ränder ins Zentrum zweier Stadtteile. Die Anwohner erobern Stadtraum aus einer hektischen Schneise zurück: Aus dem bisherigen Ort der Trennung wird ein Ort der Zusammenkunft.

Der Petuelpark ist kein Park, sondern eine Mischform zwischen öffentlichem Platz, Stadtgarten und begrünter Straße. Durch seine bescheidenen 7,4 Hektar, mit einer Länge von 900 Metern und ­einer Durchschnittsbreite von 80 Metern ist er nicht an Natur, sondern an die umliegenden Stadtteile mit ihrem Bautensammel­surium angelehnt.

Der als Sieger aus einer europaweiten Ausschreibung hervorgegangenen Landschaftsarchitektur von Stefanie Jühling und Otto Bertram ist es gelungen, aus dem Malus des aus Kostengründen nicht vollständig versenkten Tunnels, den Bonus der zwei Ebenen, des großzügigen Plateaus und des intimen Bachbereichs zu gestalten. Gerade Wege durchziehen den Stadtgarten und verbreitern sich entlang der linearen Mauer zur Promenade. Durch die bewusste Verstärkung der baulichen Topografie erhält der Stadtgarten sein unverwechselbares Gesicht.

Nachdem die Vorplanung für die Landschaftsarchitektur fertig gestellt war, wurde ich 1999 von der Stadt München zu einem künstlerischen Wettbewerb für die Gestaltung des Parks eingeladen. Von Seiten der Stadt war die Einbindung weiterer Künstler vorgegeben.

Ich entschloss mich, die Kunst im Park in Einzelorte aufzuheben. Da­mit war klar, dass es keine größere, umfassende Gemein­schafts­­arbeit, sondern Einzelarbeiten geben würde. Da sich die Ein­zelorte zu einem komplexen Gesamtbild, ohne Wiederholungen und Redundanz, addieren sollten, benötigte ich unterschiedliche künstlerische Arbeitsfelder. Sie decken ein breiteres Spektrum ab, weiten den Blick und erzeugen größere Neugier. Sie leben aus Widersprüchen und entsprechen in ihrer Vielfalt der Unübersichtlichkeit des öffentlichen Raumes.

 

Ich erinnere mich an das ›Engadin-Projekt‹ von 1983. Acht Künstler, einige am Petuelparkprojekt beteiligt, sollten von mir erhaltene Aufträge umsetzten. Wir sprachen damals, jugendlich verklärt, von den Saint-Simonisten, die ihre Kleider so entworfen hatten, dass sie nur von hinten zuzuknöpfen waren – um beim Ankleiden sich immer bewusst zu werden, dass sie nicht als Einzelne existieren konnten. Wir arbeiteten an einem Bild der Gemeinschaft. Die einzelnen Kunstwerke sollten sich an der übergeordneten Idee eines Hauses orientieren und ein verschachteltes Ganzes ergeben. Als zu junger und zu ängstlicher ­Auftraggeber, habe ich immer wieder die Sicherheit der beteiligten Gruppe gesucht und damit das fiktive Auftragsmodell konterkariert. Durch die daraus entstandenen, um sich selbst kreisenden, endlosen Diskussionen ist das ›Engadin-Projekt‹ gescheitert.

Dennoch ging ich von diesem Vorläufer aus: Ich würde Künstler auswählen, teilweise Aufträge verteilen und meine Entscheidungen alleine treffen. Aus dem Engadiner Bild der Gemeinschaft wurde das Projekt eines gemeinsamen Gesamtbildes.

Für den Wettbewerbsbeitrag erstellte ich mir eine Hilfskonstruktion, nämlich vier Bereiche, in denen die Kunstwerke angesiedelt sein sollten: Erstens: »Idylle und Inferno«, die Verbindung von Stadtgarten und Tunnel. / Zweitens: »Soziale Klammer«, das Zusammenwachsen der Stadtteile. / Drittens: »Weltkunst & Bezirksprojekt«, die architektonische Nähe unterschiedlicher Milieus und / Viertens: »der Park leuchtet / Wassermusik«, der lustvolle und heitere Aspekt.

Mit dieser Generalisierung und vor allem mit den folgenden, von mir vorgeschlagenen Künstlern ­gewann ich den Wettbewerb: Barbara Bloom, Bogomir Ecker, Raimund Kummer, Harald Klingel­­höller, Aribert von Ostrowski, Tatsuo Miyashima, Alexandra ­Ranner, Pippilotti Rist, Roman Signer, Kiki Smith, Pia Stadt­bäumer, Dietmar Tanterl und zwei noch nicht benannte Künstler. Einer dieser Künstler wurde später Rodney Graham, der andere Hans van Houwelingen. Die Realisierung eines Kunstwerkes von Miyashima und Rist war teils aus inhaltlichen, teils aus finanziellen Gründen nicht möglich.

War ich nun der von Stadt angekündigte Künstlerkurator Stephan Huber? Ich glaube nicht. Ich sehe mich nicht als Kurator, denn ich habe nie mein Milieu verlassen, keinen intellektuellen Strategiewechsel vorgenommen und mir kein neues Netzwerk aufgebaut. Ich würde mit denselben Künstlern wieder arbeiten und ich werde keine Nachfolgeprojekte durchführen. Als Künstler habe ich dieses Projekt verfasst und mitgestaltet.

Als Künstler habe ich mich auch intuitiv für meine Generation entschieden, Ranner und Houwelingen ausgenommen. Vereinfacht gesagt hat meine Generation in den 80er Jahren die Bildsprache neu definiert und die konzeptuelle Dominanz der 70er Jahre durch die Ergänzung der Lust an Bildern relativiert.

Diskurse, Arbeitsfelder und Interessen sind mir in Fleisch und Blut übergegangen. Ich vertraute auf Kollegen, deren Werke ich jahrelang verfolgt und mit diskutiert habe. ­Rodney Graham und Roman Signer kannte ich nicht persönlich, war jedoch mit ihren künstlerischen Arbeiten bereits lange vertraut. Hans van Houwelingen war eine Empfehlung von Stephan Schmidt-Wulffen.

Die Wahl der Künstler ist durch die Qualität der Arbeit und nicht durch Freundschaften begründet; außerdem mussten ihre Arbeiten zu meinen Gestalt annehmenden Vorstellungen vom Park strukturell passen.

Die Entwurfsphase des Projektes, die hier als eine Reihe logisch aufeinander folgender Gedanken dargestellt ist, war in Wirklichkeit ein verschlungenes Rhizom. Überall sprießten Blüten, die bisweilen schnell verschwanden, die unterirdische Wurzel war nicht lokalisierbar und immer in Bewegung. Die Gleichzeitigkeit des Chaos und der logischen Ordnung wohnt diesem Projekt bis heute inne. Diese Abhandlung gibt also nur bedingt meine intuitive, aber vom Intellekt gestützte Arbeitsweise wieder.

Ausgehend von meinen vier Hilfskonstruktionen und der Vision, das klassische Inventar des Parks des 19. Jahrhunderts in eine zeitgenössische Form umzudeuten, begann ich meine Vorstellungen umzusetzen:

Bogomir Ecker erhielt den Auftrag, ähnlich seiner Tropfsteinmaschine in der Hamburger Kunsthalle, eine Verbindung zwischen Unten und Oben, zwischen Park und Tunnel zu erstellen. Ein Gerät, das Räume durchbricht und vermengt. Ein Gerät aus seinem mit Trichtern, ­Röhren und Resonanzräumen besetzten Arbeitsfeld. Ich war mir sicher, dass er mit seinem surrealen Eigensinn und egozentrischen Forschertum diesen Auftrag lösen würde.

Kommunikation ist bei Ecker klaustrophobisch und idealistisch zugleich: einerseits Belauschen, Abhören und Überwachen, an­de­rer­seits jemanden ins Vertrauen ziehen, Rede und Antwort stehen, ganz Ohr sein.

Bald darauf präsentierte er den Entwurf zu seinem vertrackten Gerät, einem umgekehrten Periskop, mit dem der Betrachter das unter­­irdische Inferno der Straße in die Idylle des Parks holen kann. Wir sehen nicht mit touristischem Blick die Schönheit des Parks, sondern blicken in eine Maschine der Geschwindigkeit, in der unter unserem Plateau wie in einer Art Kernteilchenbeschleuniger Fahrzeuge über den Mittleren Ring rasen. Im Petuelpark errichtete Ecker eine Beobachtungsstation dieser Geschwindigkeitsmaschine. Durch bautechnische Vorgaben war der Aufstellungsort eingegrenzt. Um sein rotes Gerät zu schützen, beschlossen wir dieses Kunstwerk in einen Heckenraum zu setzten, der Konzentration ermöglicht und Ruhe gibt und damit die auf der Linse des optischen Gerätes abgebildete infernale Szenerie nochmals verstärkt.

Roman Signer habe ich aufgrund unserer fehlenden gemeinsamen Geschichte ›vorsichtiger‹ behandelt. Er erhielt keinen Auftrag, sondern sollte einen Vorschlag machen, ausgehend von seinem tanzenden, Wasser speienden Spazierstock und seinem fahrbaren Brunnen in Form eines Piaggio.

Er unterbreitete zwei Vorschläge: ein Fahnenfeld auf einer großen Wiese, das überirdisch auf den unterirdischen Verkehr reagiert und eine Art Wasserrad aus Gummistiefeln im Bach.

Mittlerweile hatte ich jedoch gemeinsam mit den Landschafts­architekten beschlossen, keine Kunst in die freien Wiesenflächen zu setzten, jede Betonung der vorhandenen Achse zu vermeiden, die Kunstwerke vielmehr versteckt und damit überraschend zu platzieren. So wurde sein Fahnenfeld Opfer unserer Entscheidung: Nicht nur hier fiel es mir schwer, in sich schlüssig ausgearbeitete Kunstwerke abzulehnen, weil sie nicht in meine Vorstellung des Gesamtbildes passten. In allen Fällen habe ich versucht, meine Ablehnung von Vorschlägen ausführlich und kollegial zu begründen. Aus seinem Gummistiefelentwurf erarbeitete Roman Signer einen Brunnen, angeregt durch ein Filmstill: Ein einzelnes Paar Stiefel steht – wie vergessen – auf einer kleinen künstlichen Insel im Bach; aus den Schäften dieser Stiefel schießt in unregelmäßigen Abständen Wasser sieben Metern in die Höhe. In Sichtachse, 150 Meter entfernt, neben einem Gehweg, befindet sich ein zweites paar Stiefel, aus dem Luft strömt.

Valentineske Ironie ist mit minimalistischer Einfachheit verknüpft. Es ist eines dieser kleinen, versteckten Kunstwerke, wie sie für den Petuelpark angedacht waren. Ein Kunstwerk, das kaum sichtbar ist, aber bisweilen – wie hier durch das ephemere Wasser – Monumentalität erreicht, die jedoch sofort wieder in sich zusammenplätschert: ein permanentes explosives Park­ereignis.

Westlich des Feuchtwanger-Gymnasiums war ein baumbestandener Platz, der durch eine Menge Sitzbänke zum Treffpunkt werden sollte, geplant. Die Gartenarchitekten ließen sich überzeugen, dass Harald Klingelhöller diesen Ort der Zusammenkunft bearbeiten sollte. Harald Klingelhöller sollte Rednerpulte und Trinkbrunnen in einem gestalten; eine Verbindung, die er bereits in einem Schulhof in Thessaloniki versucht hatte. Variationen sind in Klingelhöllers Arbeit immer Fortschreibungen und keine Wiederholungen, deshalb bestand keine Gefahr, eine Kopie eines bestehenden Kunstwerkes zu erhalten.

Harald Klingelhöllers Vorschlag waren sechs in sich komplex konstruierte, durch schwarz-weißen Granit geteilte Rednerpulte, die durch einen Wasser anfordernden Knopfdruck und ein kleines eingeschnittenes Becken auf dem jeweils obersten Stein zu Trinkbrunnen werden. Die durstlöschenden Rednerpulte sind so gestellt, dass sie durch ihre Konstruktion und Position verschiedene Sprechersituationen nachahmen und neue rhetorische Übungen ermöglichen. 16 im Quadrat gepflanzte Bäume werden sich hof­fent­lich bald zu einem dichten Laubdach schließen.

›Rhetorisches Wäldchen‹, so der Titel der Arbeit, ruft viele Metaphern auf: das Schwarz-Weiß des Granits als These und Antithese in der Rhetorik, Reden und Trinken als geistige und körperliche Nahrung, die Größe und Konstruktion der Pulte als Bindung an verschiedene Altersstufen und die Positionierung als Möglichkeit unterschiedlicher intellektueller Standpunkte. ›Rhetorisches Wäld­chen‹ ist auch ein benutzbares Ensemble, ­obwohl es von seiner Anmutung und durch seine formale Raffinesse und Eleganz stark an abstrakte Skulptur und deren Autonomie gebunden scheint. Die scheinbar strengste Arbeit eröffnet die größten Möglichkeiten zum intellektuellen Spiel.

Auf unserem Plateau waren nun drei Punkte bestimmt: Klingelhöller, Ecker und Signer. Im Spannungsfeld zu deren Kunstwerken wurden die anderen Positionen ausgewählt, verschoben und festgelegt.

Zeitlich parallel zur Entwicklung der einzelnen Kunstwerke begannen wir in der Nachbarschaft des entstehenden Parks Infor­mations­veranstaltungen durchzuführen, um die Bevölkerung auf Park und Kunst vorzubereiten.

Meine Erfahrung mit Kunst im öffentlichen Raum zeigte mir, dass die Aversion gegen zeitgenössische Kunst zumeist nur in Vermittlungsproblemen beziehungsweise Informationsdefiziten liegt. Die später erhaltene Akzeptanz hat entscheidend mit dieser ›kunst­­­pädagogischen‹ Vorarbeit zu tun.

Der erste Auftrag an Pia Stadtbäumer war eine Variation der ­›Bösen Kinder‹. Diese sollten auf der Mauer gegenüber der Schule sitzen und in die Klassenzimmer starren. Ihr Kunstwerk sollte im Kontext zum Lion-Feuchtwanger-Gymnasium stehen.

Pia Stadtbäumer reagierte verhalten: Die Skulpturengruppe sei zu oft abgebildet und ausgestellt worden. Sie erarbeitete einen neuen Vorschlag: ein Pferd mit Reiter. Jedoch nicht die klassische Reiterskulptur, allegorienschwer an das Bildungsbürgertum, ir­gend­­welche Kriege oder koloniale Helden gebunden, sondern einen Jungen auf einem Muli. Eine zeitgenössische Umwandlung, die Widmung an einen anonymen Jugendlichen hier und jetzt. Kein Pathos, keine Nobilität, sondern quietschbunte Trashkultur. Das Muli mit dem Jungen dreht sich in langsamer Bewegung um sich selbst, das Tier stößt in unregelmäßigen Abständen Pferde- und Eselsrufe aus. Die Schule gibt dem jugendlichen Reiter den Kontext und verbindet die Skulptur ikonografisch mit Comics, TV-Serienhelden und Jugendbüchern.

Pia Stadtbäumer nimmt hier den Kanon der klassischen Figuration auf. Sie löst ihn jedoch gleichzeitig auf und nützt die daraus folgen­den unbegrenzten Möglichkeiten. Die Verknüpfung von Populärkultur, Volkskunst, handwerklicher Kompetenz und zeitgenössischen Skulpturproblemen ermöglichen die sinnliche Erkenntnis auch für Personen, die außerhalb des Kunstdiskurses stehen. Mögliche sinnliche Erkenntnis ausserhalb des Diskurses war ein wesentliches Paradigma während der Konzeption des Projektes.

Eine betretbare und bewegliche Camera obscura, vergleichbar seiner ›Postkutsche‹ aus dem Jahr 1996, war mein erster Wunsch an Rodney Graham.

Er begann jedoch an einem Kleist-Fragment aus dem »Prinz von Homburg« zu arbeiten, mit sich selbst als Protagonist, wie in vielen ­seiner Videoarbeiten. Eine nächtliche Projektion war angedacht. Dieser Ansatz wurde jedoch von Rodney Graham nicht weiter verfolgt. Sein schließlicher Vorschlag war ein mit hohen Eiben­hecken umpflanzter quadratischer Hortus conclusus mit zwei an eine Diagonale gelegten Eingängen. In diesem ›Gartenzimmer‹ stehen sieben Stühle aus dem Jardin du Luxembourg, der ›Mutter‹ aller literarischen und cineatischen Parkvorstellungen von Proust bis Jean-Pierre Léaud. Versteckt in den Hecken ist aus einem Soundsystem zu festgelegten Zeiten eine Adaption des Kinks-Songs »I am on an Island« zu hören. Rodney Graham, der sowohl Musiker als auch bildender Künstler ist, verbindet diese zwei Arbeitsbereiche in seinem Gartenraum. Ich hielt es für richtig, dass sein Ausgangspunkt ein Lied aus der Popkultur war und nicht das Kleist-Fragment, für dessen Realisierung – aufgrund seiner Komplexität – mir ein Museumsraum notwendig schien.

Grahams Naturraum ist kein White Cube, keine Blackbox, sondern ein grüner Raum der Selbsterfahrung, geschlossen und geöffnet zugleich. ›musical folly‹, so der Titel seines Kunstwerkes, ist unser Kurkonzert, das jedoch nicht mehr aus dem Potpourri von Märschen und ›Softklassik‹ besteht, sondern aus der Popkultur entspringt, mit der hedonistischen Frage nach dem eigenen Ich. Rodney Graham hat sich in seinem Werk immer wieder mit Unbewusstem und der Psychoanalyse auseinander gesetzt und verfertigt hier in eleganter und einfacher Form einen Raum der Selbsterfahrung.

Fünf Kunstwerke waren nun entwickelt und so positioniert, dass ihre Abfolge durch Setzung von formaler Differenz und widerstreitenden dramaturgischen Gewichtungen Spannung und Erstaunen erzeugt.

So trennt Klingelhöllers scheinbar abstrakte Skulpturengruppe den Strang der narrativen und ereignishaften Formen von Stadtbäumer, Signer und Graham.

So antwortet Stadtbäumers bunte und freudige Skulptur auf Klin­gel­­­höllers konzeptuelles und repräsentatives ›Rhetorisches Wäldchen‹.

So schließt sich Grahams Ich-Raum neben Klingelhöllers offenem Platz mit Eibenhecken intim ein.

Hans van Houwelingen erhielt den Auftrag, die neue Verbindung der bisher getrennten Stadtteile zu thematisieren. Ein stadtteil­be­zogenes Kunstwerk, entwickelt mit der Distanz eines Künstlers aus Amsterdam.

Er war bereits im Jahr 2000 in München und beschäftigte sich mit der direkten Umgebung des Petuelparks. Ich versuchte, ihm die Besonderheiten der Nachbarschaft, aber auch Münchens zu vermitteln. Da der Ausgangspunkt von Houwelingens Skulpturen meist die soziologische Struktur und die daraus folgenden Bedürfnisse der Anwohner ist. Sein erster Vorschlag war der Austausch zweier Kirchenkreuze aus dem südlichen und dem nördlichen Gotteshaus nahe des Parks, die aus dem Kontext enthoben als Wegmarken neben den beiden Eingängen der Nord-Süd-Achse des Parks stehen sollten. Mir war klar, dass die Kreuze zu wenig konkret ortsbezogen im Bewusstsein der Bevölkerung verankert waren, um den Austausch nachvollziehen zu können. Bei meinem zu ungenauen Hin­weis, dass der Katholizismus immer noch präsent in den Köpfen verankert sei, hatte ich an die Mentalität und das Lebensgefühl, nicht an eine detaillierte Kenntnis der Kirchen­inventare gedacht.

Houwelingens zweiten Vorschlag, eine Arbeit mit Hitlers angeblich 2001 gefundenem Schädelfragment, habe ich mit einer langen schriftlichen Begründung abgelehnt. Ich empfand ihn als spekula­tiv provozierend, er hätte eine Faschismusdiskussion evoziert, die mich in der Kunst langweilt, und hätte alle anderen Kunstwerke mit in diese Diskussion hineingezogen.

Sofort akzeptiert habe ich den dritten Vorschlag: ›Maria, Quell des Lebens‹. Eine vergrößerte Madonnenfigur aus dem 18. Jahrhundert steht in einem Bassin. Aus dem Stigma in der Hand des ­Jesuskindes rinnt Wasser. Die weiße Madonnenfigur ist von dem Plateau heruntergenommen und steht, ähnlich einem Wegkreuz, nahe an der Barlachstraße, mit dem Blick in den Park. In Ge­sprä­chen mit Herrn Pfarrer Zielinski von St. Georg in Milberts­hofen erreichte Hans van Houwelingen, dass die Madonnenfigur geweiht wurde und am Ort ihrer Aufstellung vor allem im Mai Ge­bets­treffen stattfinden. Die Skulptur bekam dadurch ihren verbindlichen Sinn. Sie ist keine kunstimmanente, kunstkritische, selbstreferenzielle Geste mehr, sondern kultisch aufgeladene, dienende Skulptur geworden. Durch die Segnung antizipiert Houwelingen die verbindliche, unaustauschbare Bedeutung und nimmt sie aus der Kritik des Hier und Jetzt, obwohl ›Maria, Quell des Lebens‹  Teil eines zeitgenössischen Skulpturenprojektes ist.

Kiki Smith und Raimund Kummer sollten am Westende des Parks zwischen zwei geplanten Gebäuden, einem Ausstellungs- und ­einem Generationenpavillon eine Gemeinschaftsarbeit erstellen. ­Zwischen den Architekturformen und der Kunstform sollte ein Drei­klang entstehen. Ihre Skulptur sollte die Gebäude zeichenhaft unterstützen, gleichzeitig sich jedoch davon abheben und die Mitte des Dreiklangs bilden. Kummers oft verdinglichte repräsentative Gesten sollten sich mit Smiths mystischem Menschenbild verbinden. Kummers perfekte formale Anmutung sollte mit Smiths scheinbar provisorischer Handwerklichkeit kollidieren. Kummers Realisierungswucht sollte sich mit Smiths zerbrechlichen Formen arrangieren. Ein schwieriges Unterfangen, nur möglich aufgrund ihrer engen Freundschaft.

Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war ein Daphne-Fragment, ein zeitgenössisches Märchen im Park: Aus den Händen einer ­Figur auf einem riesigen Baumstamm würde es rosa Blütenblätter regnen. Später wurde daraus ein monumentaler Baumtorso. Der Stamm, ein exakter Abguss eines Baumsolitärs aus dem ­Englischen Garten, wäre in seiner letzten Variante 6,5 Meter hoch gewesen. Flachgelegte, ineinander verschränkte, rosa verglaste Türen und Fenster, hätten auf dem Torso ein Dach gebildet. Die Baumsäule und das Dach sollten Träger und Schutz für ein kleines im oberen Drittel des Stammes befestigtes Vogelhäuschen sein. Um dieses seltsame Baumhaus und zwischen den Gebäuden wären Kirschbäume gepflanzt gewesen. Alice im Wunderland, selbst gebautes Hippiehaus, Pillnitz, japanischer Garten: Viele ­Bezüge trug dieses Werk in sich.

Doch das gesamte Westende des Parks lief mir aus dem Ruder. Der Ausstellungpavillon verschwand, der Generationenpavillon blieb als Solitär zurück, mehr dazu später. Für Kummer und Smith konnte ich keine Sponsorengelder akquirieren: Die so genannte Wirtschaftskrise kam uns in die Quere. Es war meine erste Nie­derlage in diesem Projekt. Ich habe bis Sommer 2003 gewartet, immer in der Hoffnung, die benötigten Mittel zu erhalten. Als ich sah, dass dies nicht möglich war, löste sich das Team Kummer/ Smith auf.

Entscheidungen mussten nun schnell gefällt werden: Kiki Smith erhielt einen neuen Ort im Café. Raimund Kummer erhielt den Auftrag für ein Gewächshaus mit Glasaugen. Er sollte zwei ­Bestandteile aus seinem Reservoir zusammenfügen und daraus eine neue Arbeit entwickeln. Von der Decke eines 2,5 Meter hohen oktogonalen, von Raimund Kummer entworfenen Pavillon hängen zwei grüne monumentalisierte Glasaugen an ihren Muskelsträngen mit der Pupille nach unten.

Die zugleich schönen und monströsen Glasaugen bilden seltsame Analogien zwischen pflanzlicher und anthropomorpher Form. Schützt das Gewächshaus diese zerbrechliche Form vor uns oder schützt uns das Glashaus vor diesen monströsen Formen?

In den knapp über dem Boden schwebenden Pupillen bilden sich konkav Partien des umgebenden Parks ab. Auf der Oberfläche der Metapher des Sehens ist die Ansicht eines Teiles des Parks eingeschrieben, die Pupille fokussiert den Park. Kummers Werk ist das Auge und der Spiegel des Parks geworden.

Das Kummersche Glashaus wurde im Westen unseres Plateaus aufgestellt, in der Nähe des ursprünglich geplanten Baumes.

Meine anfängliche Idee einer kleinen weißen Wolke, die täglich um 16 Uhr für einige Minuten regnet und hier im Westteil des Parks aufgehängt werden sollte, habe ich nur mit wenig Energie weiterverfolgt, nachdem ich sah, dass es zu wenige große Bäume gab, um der Wolke Halt und Bühne zu geben.

Außerdem realisierte ich, dass ein eigenes Kunstwerk meine Rolle als ›Regisseur‹ brechen würde. Trotz meinem großen emotionalen Involviertsein, benötigte ich den ›kühlen‹ Blick, die intellektuelle Distanz, um das Gesamtprojekt im Auge zu behalten und mich nicht in Einzelproblemen zu verlieren. Eine eigene Arbeit wäre hier kontraproduktiv gewesen.

Acht Kunstwerke waren nun untereinander in Beziehung getreten und begannen ein Gesamtbild zu formen. Zwei übergreifende Strukturen sollten dieses Gesamtbild verstärken: die Beleuchtung und das Café.

Von Beginn an stand fest, dass ich keine Beleuchtung aus dem Katalog wollte, sondern Kunstlicht beziehungsweise Lichtkunst, die eigens für den Park entwickelt wird und nur hier zu sehen ist. Ich wollte jede Form der Austauschbarkeit oder des Vergleichs mit anderen Orten vermeiden.

Dietmar Tanterl und Tatsuo Miyashima sollten Beleuchtungslinien von den Außenseiten des Parks auf das Zentrum hin entwickeln. Nach längerer Überlegung entschied ich mich gegen diese nächtliche Zweiteilung und für Dietmar Tanterl.

Er regte an, von Autoscheinwerfern auszugehen. Sofort war ich damit einverstanden, da es ihm gelang, aus einem scheinbaren Designproblem eine metaphorische Verbindung zum verborgenen Tunnel mit seinem Verkehr herzustellen. 70 Edelstahlstelen sind Träger für die Lichtquellen im Park geworden. Das aus den Stelen in der Höhe von Autoscheinwerfern tretende Licht zieht eine faszinierende Modulierung des Geländes nach sich. In einigen Stelen sind erhöhte Lichtquellen angebracht um Landschafts­räume oder Bäume zu beleuchten, was jedoch erst in einigen Jahren geschehen wird, wenn die Bäume an Statur gewonnen haben.

Tanterls Lichtquellen sind hoch technologische, perfekt gefertigte und konzeptuell genau durchdachte Skulpturen, deren Energiefeld vom kühlen Zugriff auf das Metier und der emotionalen Ausstrahlung des Lichtes geprägt ist. Sein Licht bewirkt Differen­zierung von Raumwahrnehmungen und ist dadurch nicht nur notwendiges Sicherheitsdesign, sondern vor allem künstlerischer Eingriff.

Die Hauptwege und die Plätze des Petuelparks sind nachts beleuchtet. Die künstlerischen Arbeiten sind nicht angestrahlt.

In der Mitte des Parks, am Übergang von Klopstock zur Torquato-Tasso-Straße, steht als zentraler Ort ein Café, das von Anfang an als Herz und Treffpunkt des Parks utopischer, aber erhoffter Bestandteil des Kunst- und Parkkonzeptes war.

Der Architekt ist Uwe Kiessler. Ich habe mich für ihn entschieden, da seine Architektursprache an die klassische Moderne gebunden und somit zeitlos und elegant ist. Ich wollte keine architektonischen biomorphen Skulpturen mit quälender Verfallszeit, sondern einen Bau, der sich souverän als zeitgenössische Architektur behauptet: der Zeichen ist, jedoch seine Zeichenhaftigkeit nicht aus dem formalen Repertoire der bildenden Kunst bezieht.

Mit großer Unterstützung der anliegenden Bezirksausschüsse erhielten wir durch einen Stadtratsbeschluss zusätzliche Mittel für diesen Bau. Dann begann die bürokratisch-organisatorische Höllen­fahrt: zu teuer, Änderung der Planung, Pächter gefunden, Pächter abgesprungen, neuer Pächter, wieder abgesprungen. Neue Planung durch neue Voraussetzungen. Alles kleiner... Dies zog sich zwei Jahre hin. Möglicherweise; vielleicht; ja, aber… Ohne den Einsatz von Horst Haffner, den damaligen Baureferenten der Stadt München, und seine Begeisterung für das Petuelpark­­-p­rojekt wäre der Bau des Cafés gescheitert. Das Café, in Betrieb seit Juni 2005, hat sich bereits als kultureller Treffpunkt etabliert und haucht unserem Plateau immer wieder neues Leben ein.

 

Dieses Café sollte Barbara Bloom gestalten. Ihre Beschäftigung mit Formen der Schönheit, mit Fragen der Präsentation und Repräsentation, mit Räumen der Erinnerung und Fragmenten aus Interieurs prädestinierten sie für diese Aufgabe.

Barbara Bloom begann an einem All-over mit runden Punkten, mit Abbildern vom kleinsten Atom bis zur größten Universumsdarstellung, zu arbeiten. Das expansive Muster sollte alles überziehen: Wände, Tische, Boden, Stoffe, Tassen.

Bevor sie ihre Idee präzisieren konnte, machte ein neuer einjähriger Planungsstop die Fortentwicklung ihres Arbeitsansatzes sinnlos. Es war eine weitere Niederlage, denn ich wollte den Künstlern klar definierte Arbeitsbedingungen geben und eine Behandlung zukommen lassen, wie ich sie mir auch wünschte. Oft lag dies jedoch außerhalb meiner Macht.

Die endgültige Entscheidung für den Bau fiel erst Ende 2003, und dies in einer verkleinerten Version mit einer veränderten Raumaufteilung. Die ursprünglich groß angedachte Bloom-Arbeit konnte wegen Zeit-, Raum- und mittlerweile auch Geldproblemen nicht weiter verfolgt werden. Inzwischen war der Ausstellungs­pavillon in das Café integriert und auf Grund von planerischen Missgeschicken wanderten auch Kiki Smith und Alexandra Ranner in das zentrale Gebäude des Parks. Barbara Bloom erhielt den neuen Auftrag, das Treppenhaus des Cafés zu gestalten. Sie realisierte wandbündige kleine Monitore, wie einzelne Farbpixel auf der Wand verteilt, auf denen verschiedenfarbige, sich drehende, tanzende Röcke zu sehen sind. Ein buntes, bewegtes Ornament begleitet den Besucher beim Treppensteigen. Diese derwischhafte Bewegung zieht sich als vertikaler Schnitt durch die gesamte Höhe des Treppenhauses.

Kiki Smith gestaltete die Innenwand im oberen Cafébereich mit zwei Sternenkonstellationen und einem Rosenbusch. Diese aus Bronze geschnittenen und vor der Wand schwebenden Formen sind zugleich dekorativer Blickfang und Metapher der Beziehungen der künstlerischen Arbeiten des Parks untereinander.

Eine Mischung zwischen Anschaulichkeit und abstrahiertem Logo, eine Mischung zwischen Lufthansa-Büro und deutscher Romantik. Ein Sternzeichen für unseren Park.

Von Alexandra Ranner wollte ich eine Variation ihrer ›Kuchen­vitrine‹, die nach der Fotografie einer Pariser Konditorei rekons­truiert ist. Ich schlug ihr vor, diese Vitrine in die Glasscheiben der Nordseite des Cafés einzuklinken, fast wie eine zum Inventar des Cafés gehörende Küchenvitrine.

Alexandra Ranners Tortenvitrine steckt in großer Genauigkeit wie selbstverständlich in der Fassade, auf den zweiten Blick erst werden die verformten Patisserien zu artifiziellen Konstrukten, die nicht mehr auf den Ort des Cafés verweisen, sondern auf sich selbst als Skulpturen in einem dafür konstruierten Raum. Eine seltsam banale Schnittstelle zwischen Virtualität und Realität. Ein Grenzgang zwischen Geschmack und Sehnerven.

Parallel zu dem Kraft raubenden Bau des Cafés und dessen Ausgestaltung fiel die Entscheidung, wie immer in Übereinstimmung mit den Landschaftsarchitekten, Aribert von Ostrowski Tafeln in den Rosenpergolen gestalten zu lassen. ›Erzähle die Geschichte selbst‹ ist seine Bemerkung an der Pergola, eine sowohl konzeptuelle als auch poetische Aufforderung, diese Idylle sich anzueignen und auch zu relativieren. Ursprünglich war eine Bearbeitung der langen roten Mauer, die den Park in zwei Ebenen teilt, vorgesehen. Ostrowski wollte mit Text und Bildfragmenten, die Mauer als eine Art ›Wandzeitung‹ benutzen, die kommentarhaft-visuell Stellung zum Park bezieht. Da die Mauer jedoch Hintergrund für die von den Landschaftsarchitekten gestalteten Themengärten ist und zum Teil bereits mit Kletterpflanzen bewachsen ist, hatten wir Angst vor einer formalen Überfrachtung und entschieden uns gegen diesen Vorschlag.

Zwölf Kunstwerke sind nun auf, im, um und neben dem Plateau zum Leben erwacht und überlagern den Petuelpark mit Metaphern, Erzählungen und sinnlicher Erfahrung. Zu behandeln bleiben noch zwei geplante, zum Kunstkonzept gehörige Gebäude am Westende des Parks:

Ein Ausstellungsraum sollte junge, zeitgenössische Kunst zeigen. Es sollte eine museale Dependance eines innerstädtischen Instituts in einem bisher kulturell unversorgten Stadtteil werden.

Es war nahe liegend, das Lenbachhaus einzubinden, da sein ­Direktor Helmut Friedel viele der beteiligten Künstler seit Jahren begleitet und gefördert hat.

In der Anlehnung an eine bekannte Institution, in der Verbindung zwischen Peripherie und Zentrum, sahen wir außerdem einen Rückhalt für unser Projekt.

Gegenüber dem Ausstellungspavillon sollte ein Generationenpavillon, betrieben vom Stadtteilzentrum Milbertshofen, errichtet werden. Nachbarschaft in ihren verschiedensten Facetten sollte in das Kunstprojekt eingebunden werden. Die anfänglich angedachte sozialpädagogische Arbeit mit gefährdeten Jugendlichen wurde durch Eigendynamik schließlich ein ›Generationengarten‹, das heißt eine Begegnungsstätte mit einem kleinen angeschlossenen Garten, der gemeinschaftlich bewirtschaftet wird. Im dazu­gehörigen Pavillon werden Gespräche und Vorträge stattfinden, die soziale Themen zum Inhalt haben.

Mich interessierte die Annäherung zweier unterschiedlicher ­Milieus, Kunst und Sozialarbeit, ohne, dass eines der Milieus seine Eigentlichkeit aufgibt. Ich wollte soziale Problemfelder aus dem Umkreis unseres Parks thematisieren, jedoch nicht mit den Mitteln der bildenden Kunst. Soziale Dienstleistungen in der Kunst und damit einhergehende soziologische Dominanz waren für mich immer Modelle der Schwäche, Instrumentalisierung der Kunst als moralische Gebrauchsanweisung. Beteiligte Künstler warfen mir vor, die Vorstellung der Zusammenführung dieser zwei Milieus sei konstruiert und naiv. Die Antwort darauf ist ­müßig, denn alles ist anders gekommen als gedacht: Nach zwei Jahren Planung wanderte der Ausstellungsraum des Lenbachhauses aus finanziellen Gründen in das Café. Der Generationenpavillon blieb zurück und wurde von Uwe Kiessler als Solitär behandelt. Meine ursprüngliche Vorstellung war vollkommen verwässert. In seiner Einzelpräsenz erscheint der Generationenpavillon möglicherweise als ein aus dem ursprünglichen Zusam­men­hang gerissener Fremdkörper, dessen Bindung an das Kunst­projekt nicht mehr zwingend erscheint. Alle Gebäude im Park traten mir plötzlich als finanziell-bleierne Verschwörung gegenüber, die meinen anfänglich häufig gebrauchten Satz: »Ich mach’ das Projekt zu meinen Konditionen« zur Frage: »Ist dies möglich?«, zermalen haben.

So enttäuschend die Entwicklung der westlichen Gebäudegruppe war, so desillusionierend waren die ersten Pflanzungen: Die Bäume sind klein und mit Wuchshilfen gestützt, die Heckenräume noch nicht endgültig ausgewachsen.

Manchmal erinnert unser junges Plateau an eine Bundesgartenschau aufgrund der fehlenden Aura eines ›erwachsenen‹ Parks. Signers und Houwelingens Skulpturen, gesetzt in einen alten Baumbestand unterhalb des Plateaus antizipieren jedoch die ästhe­tisch-anschauliche Zukunft unserer Ideenlandschaft: Landschafts­architektur heißt auch warten zu können.

Möglicherweise liegt aber genau in dieser kontinuierlichen Weiterentwicklung, im langsamen Wachsen, die Chance, den sich verändernden Park immer wieder neu zu beleben. Eine Art der Belebung findet bereits im Café mit seinen kulturellen Veranstaltungen statt.

Unser Plateau muss schwer tragen: Viele Wünsche der Anlieger, Forderungen der Stadt, Ansprüche der Kunst, Verlangen der Garten­architekten mussten berücksichtigt werden. In guter Zusam­menarbeit mit den Landschaftsarchitekten haben wir versucht, den verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden. Durch die Ent­wicklung der unterschiedlichsten Milieus auf kleinstem Raum ist die Kunst möglicherweise gefährdeter als in den großen Parkanlagen: Die auratische Aufladung eines bereits institutionalisierten Ortes fehlt. Unser Park muss sich in einem Konglomerat der verschiedensten Nutzungen und Interessen behaupten. Es gibt ­keinen Schutz und keine Nobilitierung der Kunstwerke wie in musealen Räumen. Wir haben versucht, einige Kunstwerke durch Heckenräume zu schützen, sie von Spielplätzen, die heute selbst wie abstrakte Skulpturen aussehen, zu trennen. Bereiche, in denen die Gartenarchitekten sehr formend-künstlerisch argumentierten, wie die Themengärten, haben wir gemieden.

Ich glaube dennoch, es ist uns gelungen, der Kunst in diesem Park einen selbstverständlichen Ort zu geben, in den sie sich integ­riert und aus dem sie sich gleichzeitig heraushebt.

Ein ernstes Spiel auf hochgebocktem Plateau ist entstanden: Die Kunstwerke sind lustvoll und gewichtig, sie erscheinen selbstverständlich und sind gleichwohl irritierend. Wir haben Un­vor­her­sehbares und Überraschendes geschaffen, wir sind nie didaktisch oder belehrend geworden. Keine politische Dominanz über die Form instrumentalisiert die Kunst. Unser Plateau ist ein Forum für Kunst im öffentlichen Raum geworden, kein Surrogat einer musealen Präsentation. Die Kunst im Park richtet sich an das soziale Ganze, nicht an eine spezialisierte Kennerschaft. Sinnliche Erkenntnis wird auch für Menschen, die nicht im Diskurs über zeitgenössische Kunst stehen, möglich sein. Jede einzelne Arbeit besteht aber auch im Diskurs der zeitgenössischen Kunst.

Unser Stadtgarten ist eine moderne Ideenlandschaft geworden. Die Kunst entstammt dem Milieu der Urbanität, der Unübersichtlichkeit und der Buntheit des sozialen Ganzen und dem damit befassten Reservoir der zeitgenössischen Kunst. Aus den Gartenkunstutopien sind die Idee der gebrochenen Harmonie und Räume der Intimität übernommen und in unserem profanen Garten neu formuliert worden.

Durch die Synthese von Gartenarchitektur und Kunst, die sowohl in die Nachbarschaft strahlt als auch international wirkt, ist der Petuelpark unverwechselbar geworden. Die große Akzeptanz in der Bevölkerung zeigt, dass Kunst im öffentlichen Raum, wenn sie durchdacht und präzise gesetzt ist, Orten Identität geben kann und somit Projektionsfläche für Identifikation ist. Die vielen Menschen, die durch den Petuelpark spazieren, sehen Plätze geheimer Gesten, Inseln der Ironie, Gartenhäuser der Erinnerung, Zimmer der Selbsterfahrung, Territorien des Komischen, heilige Wasser, Linien aus tiefen Lichtern, Röhren zum Inferno. Sternenkonstellationen, tanzende Röcke und Kuchen aus Paris.

Dieser Aufsatz ist eine gekürzte und leicht veränderte Version des auf dem Symposium »Kunstprojekt Petuelpark« gehaltenen Vortrages. Das Symposium fand im Februar 2004 in München statt. Die beteiligten Künstler stellten ihre Arbeit vor.




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