(Empire-Sessel)

(Charles-Eames-Stuhl)


Ich liebe Dich.


Ich liebte Dich. Früher warst
Du zart und warm. Heute bin
ich einsam. Ich bin ausgebrannt.
Ich bin ein Wrack.


Ich verstehe Dich nicht.
Ich bin bei Dir. Du bist nicht allein.
Wir sagten doch, jeder solle seinen
eigenen Interessen nachgehen.


Du verstehst mich nicht. Du denkst
nur an Dich. Du erdrückst mich. Du
saugst mich aus.


Das stimmt nicht. Ich bin rücksichts-
voll. Ich setze mich mit Dir auseinander.
Ich profitiere von Deinen Überlegungen.


Du profitierst und nimmst. Was
fliesst zurück? Du hast mich zu deinem
Spiegel gemacht.


Ich verstehe Dich nicht. Deine andauernde
Unzufriedenheit. Ich gebe Dir Sicherheit.
Du brauchst Dich um nichts zu kümmern.
Ich will keinen Streit. Wir bewohnen das
selbe Haus.


Du verstehst nicht, dass deine Freiheit
durch mich entstand. Du verstehst nicht,
dass deine Sicherheit von mir kommt.
Ich hasse dein Denken.


Ich kann es nicht mehr hören. Ohne mich
wärst Du nichts.
Deine baufälligen Hinterhofwerkstätten,
deine romantischen Fabrikidyllen, Dampf-
maschinen und Heimarbeit. Was soll das?
Ich stelle Dir die Industrien auf: General
Motors, Toyota oder Microsoft.


Woher hast Du die Ideen? Woher
hast Du dein Material? Woher hast Du
den Dieselmotor, das Kollektiv, die
Massen und den Mehrwert? Du lebst
von meinem Auswurf. Du bist ein
Scheisseverwerter.
Ja und?
Ich kann aus Scheisse Gold machen.
Aus der Manufaktur die Automatisierung,
aus der Droschke den Transrapid. Aus den
Ballonen die Awacs. Aus den Salons die
Ehetherapie.


Aber ich gab Dir den aufgeklärten
Menschen: aufgeklärt über
Maschinen, Macht und Pflicht. Ich
gab dir dein Material. Und heute?
Du missachtest mich. Du hast mich
an den Rand gedrängt.


Ich will keine Vorwürfe mehr hören. Mach
dich frei von dem idealistischen Schrott. Sei
pragmatisch. Lass uns über Fakten reden:
Laptops als Produktivkraft, Freizeit als
zentrales Arbeitsproblem. Psychiatrie und
Dienstleistung. Ruhige Gefühle.


Du Egoist. Von mir hast Du die Liebe,
das komfortable Wohnen, die Idylle, das Glück. Genommen hast du den Profit. Du
hast mich ausgesaugt und getötet. Du
sprichst mit meinen Lippen.


Ich kann es nicht mehr hören.


Ich träumte von Dir. Ich schuf mir ein
Bild von Dir. Du warst gemeiner als mein
Bild. Ich habe verloren. Ich kann nur noch
sagen:


Ich liebe mich.



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