Zu drei Videoarbeiten von Yvonne Leinfelder Text von Stephan Huber Banal sind die Ausgangspunkte in Leinfelders Videoarbeiten: sei es eine Wiese mit Kuh, ein Spalt in einer Betonmauer oder ein Hase vor dem Monitor. Geheimnisvoll und bühnenhaft ist das Ergebnis. Durch Kontextverschiebung, formale Überhöhung und narrative Fragmente wird aus alltäglichen Dingen eine artifizielle Volte, deren Zauber im Bekannten liegt, das so jedoch nie gesehen wurde. Alles scheint fremd und ist doch so nah. „Leazes Park“ besteht aus einer einzigen Kameraeinstellung. Der Betrachter sieht ein horizontales dreigeteiltes Bild, Wiese, Himmel, Blätter, das symmetrisch und vertikal von zwei Baumstämmen strukturiert wird. Eine seltsame Bühne, angesiedelt im Niemandsland zwischen Stadt und Natur, verstärkt durch ein belangloses Gebäudefragment im Hintergrund, beschnittene Bäume und die durch das Bild führende Straßenlaternen. Man hört Vogelgezwitscher und ein weiteres undefinierbares Geräusch. Die Dramaturgie des acht minütigen „Stückes“ ist in drei Akte unterteilt. 1. Akt: Präsentation des Bildes und des Geräusches. 2. Akt: Die Straßenlaternen beginnen rötlich zu leuchten. Eine Kuh läuft von rechts ins Bild. 3. Akt: Die Kuh tritt in den Vordergrund, scheint den Betrachter eine Weile anzublicken und wendet sich einige Zeit später nach rechts ab. Das undefinierbare Geräusch hat sich in der Gras fressenden Kuh aufgelöst. Doch diese „Auflösung“ evoziert weniger Antworten, als Fragen: Was macht die Kuh in dieser surrealen Umgebung? Warum schalten sich die Laternen an, obwohl der Himmel noch blau ist? Was ist das für ein seltsam modernes Haus im Hintergrund? Eine Verortung des Bildes scheint nicht möglich, da sich keine schlüssige Erzählung ergibt. Ähnlichkeiten zu Magrittes Bildwelten stellen sich ein. Leinfelders „Bühne“ ist eine artifizielle Hybride, deren Einzelelemente sich nicht zu einem schlüssigen Bild schließen wollen. Der Betrachter wartet auf den sinngebenden „Big Bang“, doch nichts dergleichen: Spannung entsteht nur durch die sich steigernde Erwartungshaltung. Ein David Lynch-Effekt ohne jedoch dessen Kälte und dessen letztendliche Auflösung zu kopieren. Die Konstruktion eines Geheimnisses aus der Banalität ist die Herstellungsmethode dieses Videos. Das Video scheint der Prolog zu einer ganz großen Geschichte. Doch der Kanon der Narration wird nicht erfüllt: in „Leazes Park“ gibt es keine Auflösung im empirischen Sinne, sondern nur eine sich steigernde Anhäufung von Fragen. Ein surreales Kunststück in strenger, fast minimalistischer Form. Auch „Spalt“ erscheint uns geheimnisvoll. Was ist das für ein Licht, das sich in der Mitte des Monitors von links nach rechts bewegt, in verschiedener Intensität und Geschwindigkeit? Ein Oszillograph, war mein erster Gedanke, eine Schweißnaht mein zweiter. Wäre da nicht dieses irgendwie bekannte Geräusch, ein akustisches „deja-vu“. Eventuell Regen? Am Ende des ersten Drittels wird deutlich hörbar herausgehoben aus dem Lärmteppich wie ein großes Auto, möglicherweise ein Lastwagen oder Omnibus, vorbeifährt. Der Sound definiert den Ort: die Akteure sind die Autoscheinwerfer, die Bühne eine Autobahn oder Schnellstrasse. Über den Titel des Videos, nämlich „Spalt“ erschließt sich die Szenerie. Offensichtlich wird das Inferno durch eine schmale Öffnung in einer Mauer abgefilmt. Das „Stück“ zeigt einen transitorischen Zustand, eine sich unendlich wiederholende, tausendfache ähnliche Bewegung. Und dies wiederum, wie bei „Leazes Park“, mit einer einzigen Kameraeinstellung, die in ihrer Statik die unpersönliche, dinghafte Geschwindigkeit hinter der Mauer verstärkt. Wieder haben wir den banalen Input: Autos bei Nacht. Aus diesem filmisch verbrauchten bild wird jedoch eine bildhafte, fast abstrakte Wirklichkeit von großer Schönheit geschaffen, die selbst nach deren Erklärung ihr Rätsel nicht verliert. |
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