Stephan Huber
Leibniz, Larifari und der Teufel
Galerie Six Friedrich Lisa Ungar, 07.03.-03.05.2008
Hans-Jürgen Hafner in Kunstforum Bd. 191 Mai-Juli 2008

Von Reinheitsgeboten, wie sie im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Modernismus in Schwang kamen, hat Stephan Huber noch nie viel gehalten. Anstelle von Purifikation und Selbstreferenzialität setzt der Künstler notorisch auf mediales Überangebot ebenso wie auf hemmungsloses Referenzieren: seine Arbeiten ganz egal ob es sich dabei um eine Zeichnung oder eines seiner installativen Tableaus handelt sie bersten schier vor der Fülle der darin angetriggerten Referenzen: auf Hubers vielfältigen Vorlieben, etwa für die eigene Biografie, für Randlagen ganz allgemein und für die Fülle von Parallelwelten, wie sie Literatur, und Psychologie, das Kino, Folklore und philosophisches Denken parat stellten& Was im schlimmsten Fall zu einer Mischung aus wissender Nonchalance bzw. jener nur zu oft auf Basis der guten alten Praxis-Theorie-Dichotomie ausgetragenen Koketterie, die aus immenser Bildung und gleichzeitig beträchtlicher Skepsis allem allzu Intellektuell-Theoretischen gegenüber resultiert, führen kann.
Vom Werk, dem Machen her gesprochen resultieren gerade aus der Fusion von Wissen und Gestaltung, von Subjektivität und Vermittlung zwangsläufig dringende Formfragen, die Huber in seiner aktuellen Ausstellung zu recht über überraschenden Lösungen führt. Tatsächlich geht das auch auf die Raumanforderungen bei Six Friedrich Lisa Ungar hin äußerst raffiniert zugeschnittene, installativ-theatrale Set-up hervorragend auf: mit einer Art vitrinisiert hoch gebocktem, von Sound durchwisperten Miniatur-Geisterwald ( Fünf Uhr früh in Colorado 2008), der im Parcours zudem dramaturgisch als Bühnenvorhang fungiert, wenn er den Blick erst allmählich frei gibt auf den zentralen Schauplatz mit der unheimlichen Hauptfigur dieser Schau: den  Schattensprecher.
Aus der Entfernung perfekte Täuschung stellt der Schattensprecher beinah lebensecht das verzweifachte Double des Künstlers vor: einmal als ganz leibhaftig da hingestellter Doppelgänger Hubers, mit allem drum und dran, Cordanzug, feinem Hemd und sauber modellierter Frisur. Und diesem Doppelgänger sitzt ein weiteres, diesmal ein bisschen grotesk miniaturisiertes Look-alike in Form einer Bauchrednerpuppe auf dem Arm. Die Puppe scheint in der dritten Person über den Künstler Stephan Huber Auskunft zu geben: was diesen motiviert, was ihn so umtreibt und was ihm alles wichtig ist an seiner Kunst. Diese Reflexionen klingen nicht nur sehr nach Huber; da erklingt auf geisterhafte Weise tatsächlich Huber, wie er sich da wortgewaltig und mit einigem Pathos über sein Selbstverständnis verbreitet.
Und als wäre damit nicht schon genug, respondiert, reflektiert, ja kommentiert ein, nicht minder geisterhafter, im besten Sinn dramatischer Chor aus einer von der Decke über Kopf abgehängten Lautsprechereinheit das gerade Gehörte. Das ganze Arrangement vermittelt sich als eine ausgesprochen surreale und zugleich suggestive Szenerie, in die man sich als unfreiwilliger Augenzeuge versetzt fühlt, etwa, um an einer Art imaginärem Zwiegespräch zwischen Künstler und seinem Publikum teilzunehmen; ein Gespräch, bei dem es, wenn man so möchte, z.B. um die notorisch schwierige Balance zwischen eigenem Anspruch und den Anforderungen von Außen, um das Angleichen von Ideal und Realitäten, um Freiheit und Verbindlichkeiten gehen könnte ....
Zwar ist weder die Idee des Doppelgängers noch der Rückgriff auf die höchst komplexe Figur des Bauchredners oder Ventriloquisten in der Kunst als Novum zu werten wenn wir einerseits an die Vorschläge eins Paul Thek oder Paul McCarthy und zum anderen etwa an Laurie Andersons oder Asta Grötings auf den Einsatz von Bauchrednerpuppen basierten Arbeiten denken. Huber gelingt mit seinem Schattensprecher allerdings eine allein schon als Effekt im Rahmen dieser Ausstellung schlagende, darüber hinaus aber vor allem auch formal und konzeptionell schlüssige Rückbindung an sein Werk und die Art und Weise, wie er sich als Künstler wie als Person darin einbringt.
vDer Schattensprecher zieht nämlich ebenso wie das als Marionettentheater zugleich performativ wie skulptural inszenierte philosophische Kabinettstückchen Leibniz Lust & Teufels Tod eine formal wie konzeptionell schlüssige Reflexionsebene zum Umgang mit Referenz und Zitat, mit allerhand Medien- und Modellspielereien innerhalb eines mit, willentlich, subjektiven Sedimenten, mit Wissen wie Mitteilungsfreude nahezu überreich ausgestatteten Werks ein. Was einerseits im besseren Sinne zwar kokett aber in jedem Fall künstlerisch begründet ankommt, zumal im Vergleich mit dem letztlich nur dekorativ umgesetzten Anspielungsoverkill, den die unbetitelten Papierarbeiten der in derselben Ausstellung ausführlich gezeigten   Intellektuelles Schlamassel Serie verbreiten.


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