Eisenherz und der Erhalt des Ähnlichen
Von Stephan Schmidt-Wulffen
Hamburger Kunsthalle


Mit dem edlen Prinzen aus Thule hat dieser Eisenherz nichts gemein, viel eher mit einem Beschallungsgerät, einem Flügelaltar, einem Radarschirm. Wie eine Jagdtrophäe extraterrestrischer Exkursionen hängt das sperrige Gebilde an der Wand. Zwischen zwei ausladenden, hohen Bildtafeln schwebt, getragen von drei steilen Trägern, ein schreinartiger Gitterkasten. Selbst dies Herzstück der Konstruktion besteht nicht aus Eisen, sondern bloß aus Aluminium. Die Namensgebung verrät einen Hang zum Paradoxen, genauso wie die feine Abstimmung der abgebildeten Eisenarchitekturen auf das Gerüst der Konsole, eine gelungene Verbindung von Fakt und Fiktion.

Seine besonderen Merkmale teilt Eisenherz mit einer ganzen Familie neuerer Arbeiten Stephan Hubers. Alle sind Wandarbeiten, dem Relief verwandt, doch wegen ihrer ausladenden Tragekonstruktionen nur schwer als solche zu bezeichnen. Wie sie in den Raum greifen, verrät eher skulpturalen Gestaltungswillen. Das Baumaterial Aluminium gibt den Objekten eine frostige Erscheinung. Dazu passen Namen wie Eismeer oder Kraftwerk. Wie bei Eisenherz irren auch diese Titel in bezeichnender Weise von den Motiven auf den Bildtafeln ab. Zu sehen sind Eiszapfen, Eisenträger, Kirchenkuppeln, alte Maschinen. Die Technik, im Skelett der Arbeiten bereits suggestiv präsent, hat sich auch in die Reproduktion der Fundbilder eingemischt. Siebdruck sorgt für sachliche Distanz, wo nostalgische Empfindsamkeit zu entstehen droht. Erst in jüngster Zeit, so als sei er seiner neuen Sachlichkeit schon müde, setzt Stephan Huber wieder bewährtere Mittel aus früheren Zeiten ein: Beleuchtung und Farbe.
Das ist neu: die abgeblendete Inhaltlichkeit genauso wie die Lust an Abstraktion und autonomer Gestaltung, das Arbeiten an der Wand genauso wie die Materialaskese. Einiges ist auch bekannt. Mit der frühtechnologischen Eisenzeit hat dieser Künstler immer schon geliebäugelt, an ecclesialen Obertönen herrscht nach wie vor kein Mangel, und wer will kann in der Harmonisierung von Fakt und Fiktion eine zeitgemäsere Aufbereitung barocker Inszenierungslust entdecken. Die Mischung aus Neu und Alt erscheint signifikant. Die jüngste Wende von der Skulptur zum Relief hat auch der von den Installationen zur Skulptur alles Zufällige genommen. Die Dramaturgie eines Dreiakters zeichnet sich ab, mit Exposition, Wendepunkt und Finale: 1979 bis 1982 ist die Zeit der szenenhaften Installation; 1983 kommen Skulpturen hinzu; 1986 entstehen die ersten Reliefs und die (bisher) letzten Installationen. Mittlerweile dominieren die Wandarbeiten die gesamte Arbeit.
Hauptdarsteller in den Akten dieses Dramas ist jedes Mal das gewählte Medium, das im Kampf mit den Ideen liegt. Allmählich aber nähern beide sich an, das Medium verwandelt sich unter dem Einfluss der Ideen, und die Ideen ändern sich durch das Medium. Die Spannungskurve zeigt deutlich die Handschrift des Autors.
Wann einer etwas Neues macht und wie viel des Alten es bedarf, damit man darin noch die Äußerung desselben Urhebers erkennt, das könnte die Künstlerpersönlichkeit als ein Diagramm von Kräften zeichnen, ein spekulatives „Porträt“. Kunst wächst in der Lücke zwischen Absicht und Zufall. Das Wesentliche an künstlerischen Prozessen liegt bekanntlich darin, dass sie dem Willen des Künstlers nicht gehorchen. Im Spiel von Neuigkeit und Wiederholung erschließen sich jedenfalls die Mechanismen einer Identität, in der er selbst sich immer wieder neu entdecken muss. Der Erhalt des Ähnlichen bedarf keiner Absicht und lässt gerade deshalb den Künstler kenntlich werden. Gerade das scheint die Einsicht zu sein, auf die Stephan Huber mit den Werken seiner jüngsten Arbeitsphase gestoßen ist.

Skulptur in Bewegung
Alle gelungenen Formulierungen Stephan Hubers seit 1983 verdanken sich letztlich der Weigerung, Skulptur als das zu akzeptieren, was sie ist. Stabilität schätzte Henri Laurens an der Skulptur, und Anthony Caro wollte seine Werke „schwer und wirklich“.1 Plastik galt traditionell als das Gegenteil des Flüchtigen, sich Verändernden, Beweglichen. Stephan Huber legte es gerade darauf an, die Skulpturen in Bewegung zu setzen. Schon das erste dieser Werke, Arbeiten im Reichtum, 3, besteht im Wesentlichen aus einem Transportmittel, einem Schubkarren, in dem ein leuchtender Kronleuchter liegt. Auch Lenins Koffer tragen Räder; und der Schreibtisch des Revolutionärs ist im Wunder von Petersburg auf hydraulische Transportheber aufgebockt. Bubinga zeigt 1986 – erste Reliefs deuten bereits das Ende dieser Arbeitsphase an – einen auf dem Boden liegenden Violinkörper mit schräger Oberfläche, auf dem ein mit Rädern versehener Violinhals steht. Die Stellung der Rollen und die eingebauten Bremsen verhindern, dass sich der Hals vom Körper trennt. Als solche wandelnden Paradoxe begegnen uns später auch die Arbeit im Reichtum 14 und Soleil du Nord.
Wo diese direkte Umsetzung in Beweglichkeit fehlt, hilft die Inszenierung oder zumindest die Metapher: Die Helden der Arbeit, vier Putti, halten 1984 einen massiven schwarzen Block in der Schwebe, und sie müssen auch zu diversen anderen Anlässen wieder zupacken. Melancholische Skulptur heißt ein Ensemble aus Koffern und Werkzeugkästen unterschiedlichster Typen, auf denen überdimensionale Hüte liegen.
Was den Geist des Betrachters wehmütig stimmt, ist die Erinnerung an Aufbrüche und Abschiede, und diese Anfälligkeit fürs Sentimentale verursacht wohl Endlichkeit der eigenen Lebensreise. Eine Metapher für Bewegung ist beides allemal. Konkurrenz enthält das Bild der reise durch die auf- und untergehende Sonne. Dieses Motiv inszeniert Stephan Huber in Installationen, Skulpturen und Reliefs der Jahre 1985-1987. Tatsächlich zeigen die ersten fünf entstandenen Reliefs alle das Motiv des Sonnenganges. Wie sehr Huber die Skulptur mit der Bewegung in Beziehung brachte, zeigt sein Bemühen, die auf horizontale Bewegung angelegte Dynamik der Schubkarren, Autos, Hebewagen und Transporthunde durch eine „vertikale Skulptur“ für ihn zu einer drängenden Herausforderung, und es taucht das Motiv der Säule auf. Die Rote Säule, Melancholie oder Macht, Geld, Glück antworten auf dieses Bedürfnis.
Mit der vierdimensionalen Plastik eines Naum Gabo, mit der Kinetik eines Alexander Calder oder George Rickey hat das wenig zu tun. Weder findet Bewegung wirklich statt, noch dient sie als Hinweis auf absolute Werte, auf Raum und Zeit. Arbeiten im Reichtum, 1 eröffnet 1983 die Arbeitsphase der Skulpturen, ist aber selbst nur eine Postkarte. Sie zeigt eine Person, die nach Art eines chinesischen Kulis zwei Kronleuchter an einer Stange über der Schulter der Schulter schleppt. Wenig später hat dessen Position der Schubkarren eingenommen. Dass Hubers Skulpturen selbst als Darsteller, als Akteure verstanden werden müssen, ist keine neue Einsicht.2  Es macht allerdings nachvollziehbar, warum der Künstler sich stets bemüht, zum Laufen zu bringen, was zum Stehen gemacht ist. Vor allem aber verweist das Thema Bewegung, das für die skulpturale Arbeit ein Leitmotiv ist, auf die vorausgegangene Phase der Installationen.
Angefangen von der Reduktion des Wunsches über Fliegen und Ratten bis zu Das Gottesreich fliegt, 1981 und 1982, finden alle Überlegungen Hubers ihre Gestalt im Bild des Fliegens. Eine Schlüsselarbeit von 1981 verrät einiges über seine Bedeutung: Der / Die / Das Schlauheit Widerstand und Ich bin der Flieger. Drei Photographien sind angeordnet wie ein gotischer Flügelaltar. Sie zeigen eine Menschenmasse, eine abstrakt wirkende und schon gedrehte Architekturaufnahme und eine alte Fabrikanlage. Vor dem Betrachter steht ein Kasten mit zwei Hörern ein „Traumflieger“, der Schwierigkeiten mit der Identifikation des Dargestellten hat. Er hält die bloß vogelperspektivisch photographierte Anlage zunächst für tausend Monitore, dann – typisch für Hubers spätere Montagemethode – sieht er in ihr den Krieg, ein Naherholungsgebiet, das „freundliche Land mit den Videokameras“, bevor er dem Zuhörer zu erkennen gibt, dass er sich in keiner anderen Position als dieser befindet.
Fliegen wir von Stephan Huber in der Zeit der Installationen mit der Perspektive des Künstlers identifiziert. „Der alte, der Phantasie verschwisterte Traum vom Fliegen“, schreibt Monika Steinhauser, „die kontrollierte Schwerelosigkeit“ ist dabei für Huber noch Inbegriff einer Freiheit, die sich den Gravitationskräften der Wirklichkeit widersetzt.“3
Künstlerische Freiheit, die scheinbare Willkürlichkeit kreativer Wahrnehmung, findet ihren Ausdruck in einer Sehweise, die die konventionelle Raumorientierung nicht akzeptiert; eine Sichtweise, wie sie auch ein Kunstflugpilot erfahren mag. Die Wahrnehmungsform, die Huber in seinen Installationen als Angebot für die Betrachter konstruiert, verweist vor allem auf seinen eigenen Standort. Die turbulente Perspektive definiert die eigene Rolle, so wie das schon 1979 der Titel der ersten Installation Der Künstler, der Sammler und das Museum. Das Mehl. Die staatliche Ordnung. Reproduktion und Farbe. Sowie Verkehrsmittel und Wächter leistete.
Auch nachdem mit Beginn der skulpturalen Arbeit die Metapher des Fliegens verschwindet, bleibt die mit ihr verbundene Raumkoordination doch bestehen. Ich liebe Dich lässt den Parkettfußboden an einer Seitenwand erscheinen, die Decke auf den Boden fallen und einen Kronleuchter wie unentschlossen durch diesen Looping schwingen. Solche Turbulenzen gehen in den Inszenierungen, die die Arbeit an den Skulpturen zwischen 1983 und 1986 begleiten, mehr und mehr verloren.
Schließlich formulieren die Skulpturen scheinbar unpersönlichere, präzisere und unaufwendigere Bilder für das Bewegungsmotiv, das so ganz ursächlich mit dem Kunstverständnis Hubers verbunden ist. Die Skulptur ermöglichte es Stephan Huber, aus der Metapher des Fliegens das Motiv der Bewegung zu destillieren. Mit dem anderen Medium veränderte sich auch das Arbeitsmotiv.
Bei den Überlegungen zu den neuen Reliefs hilft eine Art Dreisatz: Zum Verhältnis von Installation zu Fliegen, Skulptur zu Bewegung, gilt es beim Relief die Unbekannte ausfindig zu machen. Lösungshilfe leistet die Tatsache, dass mit der Idee der Bewegung eine Grundtendenz geliefert ist, zu der eine Ähnlichkeit bestehen könnte. Was haben die Reliefs aus dem Interesse an Bewegtheit gemacht? Wie gestalteten sie die grundlegenden Themen Hubers um, religiöser Ritus und frühindustrielle Kultur? Gibt es neue Themen, die als Weiterentwicklung es Bewegungsmotivs aufgefasst werden können? Diese Frage wirft ein erster Rückblick auf die früheren Arbeiten aus der Sicht der neuen auf.

Das Lagerimkopf

Das Werk von Stephan Huber ist immer auch Selbstbefragung gewesen mit dem Ziel, sich im eigenen künstlerischen Tun zu begreifen. Mit der ersten Installation, die das Verhältnis des Künstlers zu Sammler und Museum, zur staatlichen Ordnung und zur Öffentlichkeit prüft, richtete er sich in einem Lager zum Überwintern ein. Auch bei der Münsteraner Inszenierung Der Kunstverein fliegt schlägt die Identitätssuche durch. Stephan Huber, merkt Thomas Deecke an, „sieht in der gescheiterten Hoffnung der Wiedertäuferbewegung eine Parallele zur Künstlerexistenz.“4
Das Bild des Fliegens verbindet die gescheiterten Revolutionäre in ihren Käfigen hoch an St. Lamberti mit der gesellschaftlichen Rolle des Künstlers.
Diese Fragen beschäftigten Stephan Huber auch noch, nachdem die ersten Skulpturen entstanden waren. In Bonn setzt er 1984 neben das eigene Spielzimmer einen Raum des Vaters und einen Raum der Mutter. Für die Melancholische Skulptur nimmt er probehalber die Rolle des Unternehmers ein, eine Position, die sein Vater innehatte.
„Ich spiele bestimmte Spiele, um zu überleben“, kommentierte Huber dieses Vorgehen. „Ich versuche, mir selbst und damit dem Künstler einen bestimmten Platz in der Gesellschaft zuzuordnen.“5 Diese Anmerkung lässt erkennen, dass die theatralische Inszenierung der Installationen für Huber auch das Feld eines fiktiven Probehandelns war, eines Handelns noch dazu, bei dem es auf die Besetzung – ob Fundstück, Skulptur, ob Schauspieler oder der Künstler selbst – gar nicht ankam.
Die Installationen und dann auch Skulpturen skizzieren soziale Beziehungen. Sie sind zur Zeit der ersten Arbeitsphase, die der Skulptur, entwickelt sich unter dem Anspruch, bleibende Werke zu produzieren, die ästhetische Form mit dem Interesse an sozialen, institutionellen Zusammenhängen in besseren Einklang zu bringen. Das zeigt aber auch, dass es nicht um Psychologisches geht. Huber hat zwar zugestanden, dass es bei seinem Rollenspiel ein „persönliches, fast therapeutisches Moment“ gegeben habe.6 Er hat aber andererseits Biographisches immer als subjektiven Aspekt und „für den Betrachter nicht von Interesse“ abgelehnt.7
Während Huber in den Installationen noch nach Orientierung für die künstlerische Arbeit sucht, weitet sich mit der skulpturalen Phase die Perspektive. Jetzt geht es um jene gesellschaftlichen Einflüsse, die das eigene Tun in einem prinzipielleren Sinn prägen.
„Ich habe nichts Kosmopolitisches,“ sagt Stephan Huber 1984 im Gespräch mit Margarethe Jochimsen. „Ich bin sesshaft, bin der Heimat verbunden…“8 Das mag zunächst überraschend klingen für einen Künstler, dessen Ehrgeiz sich keineswegs nur aufs Regionale richtet. Motiviert ist Hubers Einstellung durch jene postmodernen Diskussionen vor allem innerhalb von Architektur und Philosophie, die die großen Theoriegebäude, die umfassenden Utopien in Frage stellten. In den siebziger Jahren prägte eine Rationalitätskritik die intellektuelle Szene, die das Partikulare gegen das Absolute setzte. Die Fundamente der Vernunft bröckelten und machten schließlich einem Pluralismus Platz, der seine Legitimation allein in historischen Prozessen fand. Kontextuelle und kulturelle Bezüge traten an die Stelle transzendentaler Wahrheit.
Die Architektur, nicht die bildende Kunst, lieferte die handgreiflichsten Beispiele für diese Neuorientierung. Dem internationalen Stil der Avantgarde wurde da seine Uniformität vorgehalten, immer weniger orientiert an den realen Bedürfnissen der einzelnen Benutzer, sondern einzig bestimmt durch ein abstraktes Ideal der Erneuerung. „Im weißen Protestantischen Reformationsstil wurde dort von den wichtigsten europäischen Architekten gebaut, und es war nicht so sehr die Qualität der Gebäude, die beeindruckten, als die Tatsache, dass die führenden Vertreter alle Versionen ein und derselben Doktrin produzierten, eines Dogmas, welches Ornament, Konvention, Symbolismus, traditionelles Handwerk, detaillierte Vielfarbigkeit und fast alle Qualitäten, die die westliche Architektur bis dahin aufzuweisen hatte, ausschloss…9
Als Gegenposition ergab sich zwangsläufig das Bild einer heterogenen Vielsprachigkeit: Collage City, die „Stadt als Museum“, die keinerlei Anzeichen eines drängenden Glaubens an den Wert irgendeines alles erklärenden Prinzips erkennen lässt. „Sie ist das Gegenteil von restriktiv, deutet Förderung eher als Ausschluss der Vielfalt an“, schreiben Colin Rowe und Fred Koetter in ihrem Buch und nehmen als einleuchtendstes Beispiel kaum zufällig Hubers Heimat München. 10
Kenneth Frampton hat als eine der Quellen für diese Cofellagetechnik einen „Kritischen Regionalismus“ ausgemacht, dessen grundlegende Strategie es ist, „die Wirkung universaler Zivilisation mit Elementen zu vermitteln, die indirekt auf die Eigentümlichkeiten eines besonderen Ortes zurückzuführen sind.“ Frampton skizziert auch den positiven Mechanismus eines regionalen Bezuges. Zwar nimmt er das Spektrum der Weltkultur auf, das er zwangsläufig erbt.
Aber die Region schafft eine Art archimedischen Punkt der Dekonstruktion, bildet die Voraussetzung eines „synthetischen Widerspruchs“, mit dem die Kritik dieser kulturellen Prägungen geleistet werden kann.11
Die Ähnlichkeit zwischen diesen Positionen und den Konzepten, die Stephan Huber 1983 umzusetzen beginnt, ist offensichtlich. Schon in der zentralen Arbeit Der / Die / das Widerstand Schlauheit… zeichnet sich 1981 diese Möglichkeit einer Neuorientierung ab. Sie trägt eine Kritik autonomer Kunst am konstruktivistisch anmutenden Photo eines Gebäudes vor und schlägt stattdessen eine inhaltliche Sichtweise vor, die am Begriff des Museums festgemacht wird. Er meint jedoch nicht mehr die Ausstellungsinstitution, sondern ein musée imaginaire im Kopf jedes einzelnen. Das Bild einer Menschenmasse wird kommentiert: „Das Museum hat sich umbenannt. Es heißt nun: Der / Die / Das Schlauheit / Widerstand. Der / Die / Das Schlauheit / Widerstand ist auf der Photographie erkennbar. 283mal und einmal.“ Deutlich ist hier die Anspielung auf eine Vorstellung von Museum im Kopf, die der einer kulturellen Prägung entspricht.
Es ist dieses virtuelle und in der ganzen Gesellschaft präsente Museum, dem Hubers Interesse jetzt gilt, und die Museen im gewohnten Wortsinn werden der zu Metaphern für dieses in den einzelnen Mitgliedern er Gesellschaft gespeicherte kulturelle Wissen. Stephan Huber nennt es das Lagerimkopf und gibt damit auch schon ein Arbeitsprogramm zu erkennen, nämlich die freie Montage von Elementen des hier Abgelegten.12
Erst 1983, zu Beginn der Skulptur-Phase, hat sich herausgeschält, was dieses imaginäre Museum zeigt. Weil die Kritik an den übergreifenden, abstrakten Denkmodellen zu Besinnung auf die eigene Erfahrung zwingt, müssen es zwangsläufig jene Motive sein, die Hubers regionaler Umwelt entstammen und seine Imagination geprägt haben: das barocke München mit seiner katholischen Pracht und eine Industriewelt, die Ende der fünfziger Jahre im Allgäuer Lindenberg eher den Eindruck des 19.Jahrhunderts vermittelt haben wird als dass sie mit den damals aktuellen Produktionsstandards verglichen werden konnte.13

Gefühl mit Verstand
Putti, Stuckscheiben, Meander, Kronleuchter, sie alle stammen  aus der „großen Schachtel der barocken Weltsicht“ 14, in die Huber von nun an gerne greift. Sie stehen für ein Repertoire an Gestaltungsmitteln, die die bildende Kunst, ähnlich wie die Architektur, über Jahrzehnte tabuisiert hatte. Dadurch erhalten sie programmatischen Wert. Sie nehmen sich Freude und Genuss eher zum Maßstab als ästhetische Ideologien oder Wahrheitskriterien. Sie zielen auf Empfindung und Gefühl eher als auf kritische Bewertung und Reflexion. Dahinter verbirgt sich aber nicht nur eine Revision der Moderne. Es geht um die Rehabilitierung des Bildes, dessen Wert seit der Reformation dem des Wortes untergeordnet bleibt. Luther, Zwingli, Calvin gehören zu den Begründern einer neuen, aus der Negation der Wirkungskräfte des Bildes gewonnene Kunsttheorie, die bis in die Moderne nachwirkte.
Während im Mittelalter das Kunstwerk zwangsläufig ein Teil des göttlichen Schöpfungsprozesses ist, dessen Plan es in den eigenen anschaubaren Formen sichtbar werden lässt, zerbricht die Reformation diese Einheit von Geist und Materie, Idee und Gestalt. „Auf den Glauben an die Autorität des Bildes ließ Luther den Glauben an die Autorität des Wortes folgen,“ schreibt Werner Hofmann in einem grundlegenden Essay.15 „Bei ihrer Abwehr der Bildmagie, also der Überzeugung, dass dem Bild übernatürliche Kräfte innewohnen, stützen sich die Reformatoren auf das Bibelwort, dem sie überlegene Aussagekraft zubilligen.“
Seither ringt die Kunst nicht nur mit dem Zwiespalt zwischen Geist und Materie, Innen und Außen; sie hat sich vor allem eine Skepsis gegenüber dem Bild zu eigen gemacht, die das Wort als übergeordnete Kontrolle einsetzt. Die Unmittelbarkeit und Transparenz des Geistes erscheint inkommensurabel gegenüber jeder materiellen Gestalt. Hinter dem Konflikt zwischen Wort und Bild verbirgt sich einer zwischen Gefühl und Vernunft. Der Barock ist die erste Reaktion auf diese protestantische Ästhetik, mit der die angezweifelte Bildwirksamkeit innerhalb der katholischen Kirche wieder legitimiert werden sollte. Wenn Stephan Huber Zeichen benutzt, die an den Barock denken lassen, und sei es nur an dessen Klischee, dann schließt er sich dieser Abwehr einer puristischen, logozentrischen Ästhetik an.
Er plädiert nicht nur für das Gefühl, für die Verführung, sondern macht sich auf die Suche nach einer übergeordneten Einheit: ein Gefühl, das selbst vernunftgetragen ist, eine Vernunft, die nicht der Institution entbehren muss.
Ausgelöst wurde der Bilderstreit im 16. Jahrhundert durch den Missbrauch, den die Kirche mit den Bildern trieb. Altäre, Andachtsbilder und Reliquien garantierten, teuer bezahlt, Ablässe von weltlichen Sünden. „Als Komplize des Geldes, dessen Allmacht Luther im „Mammon“ dämonisierte, wurde das Bild zum Fetisch, zur Allerweltshure, zur käuflichen Ware.“16 Für Huber wird dieser „Fetisch“ zum Leitbegriff, weil er sich eher an ein emotionales Verstehen wendet, ohne das reflektierende auszuschließen. „Ein Fetisch ist für mich eine Möglichkeit, mit der Ebene der Distanz zu arbeiten, des Intellekts. Nicht ausschließlich, denn das ist auch nicht hinreichend. Wenn ich mit dem Intellekt empfindungsmäßig arbeite, immer die Distanz zu wahren, dann entsteht für mich hochgradig interessante Kunst, die genau diese beiden Bereiche bedient.“17
Dabei geht es keineswegs um eine Erneuerung scholastischer Ganzheitsvorstellungen. Fetisch meint auch den seiner geistigen Dimension beraubten, den verdinglichten Gegenstand.18  Gerade diese Gegenstände, die ihre gefühlsbezogene Appellkraft ganz aus ihrer Oberfläche, aus einer schillernden Stofflichkeit beziehen, will Stephan Huber als Gestaltungsmittel benutzen. Es sind, dann aus dem kirchlichen Zusammenhang gelöst, eben jene Gegenstände, die weiterhin zirkulieren und Faszination wecken, obwohl sie ihren ursprünglichen Zwecken vollkommen entfremdet sind. „…bestimmte Formen durchlaufen völlig sich ändernde Sinnzusammenhänge, perennieren, auch wenn die sie begründenden Zusammenhänge längst gewandelt sind. Formen und Ideen werden immer wieder aufgehoben, was bedeutet, dass sie beseitigt werden oder dass sie konserviert werden oder dass sie überhöht werden. Unantastbar leben viele Formen als Fetische fort. Stephan Huber greift in seinen Arbeiten auf den Formenvorrat zurück, der aus solchen festen Formen und Vorstellungen besteht. 1
Diese Funktion erfüllen auch die Industriebauten des 19. Jahrhunderts und viele der Produkte, die in ihnen gefertigt wurden. Werkhallen mit gotischen Kuppeln, Schornsteine, Dampfmaschinen haben in der postindustriellen Gesellschaft ihren Zweck eingebüßt und sind gerade deshalb zu Zeichen des Vergangenen geworden, die an unsere Gefühle appellieren. In dieser Hinsicht ist das Industriemotiv eine Doublette der am Barock orientierten Ästhetik Hubers; sie ist deren am meisten zeitgemäße (aber vor allem eben nicht heutige) Entsprechung. Mit dem Bild des Zahnrades, das gleichzeitig aber auch jenes Sonnenrad ist, das die Stuckscheibe bedeutet, hat Stephan Huber ein schlüssiges Beispiel für die Nähe der beiden Modelle zueinander gefunden.
Die Abwendung vom Absoluten, dem Abstrakten und die Hinwendung zur eigenen konkreten Erfahrung. Für Stephan Huber bedeutet die Auseinandersetzung mit dem Barock und der frühen Industriekultur auch eine letzte legitime Form von Theorie: Aktivieren und Klären dessen, was das eigene Handeln prägt.
Damit hat die Selbstbefragung aus der Zeit der Installationen eine schlüssige Verwandlung erfahren. Die Hinwendung zum Partiellen erfolgt legitimerweise nur über die Betroffenheit, über das eigene LagerimKopf. So konnte die Aufmerksamkeit für das Ich zwar in den Hintergrund treten, ohne doch gänzlich verloren zu gehen. Die Arbeit an den Skulpturen ermöglichte auch eine kritische Selbstbefragung. Die Objekte verleihen jenen latenten Prägungen Gestalt, die der bewussten Aufmerksamkeit entgehen. Das Kunstwerk wird zu einem Spiegelbild, das einen latenten Denkstil sichtbar macht, der der bloßen Überlegung verborgen bliebe.
In dieser Dimension der Selbstbefragung ähneln die skulpturalen Werke den Installationen; sie unterscheiden sich von ihnen dadurch, dass sei einen völlig neuen Begriff von Subjektivität zum Ausgangspunkt nehmen. Die Arbeit begann als Untersuchung der Künstlerrolle. Sie richtet sich dann auf jene historischen gesellschaftlichen Kräfte, die zwar in der einzelnen Biographie ihren Ausdruck finden, doch das Individuelle übersteigen.

Die Sorge um sich
Für die Ausstellungs-Inszenierung Rote Sonnen hat Stephan Huber 1986 einen Monolog für einen in der Installation agierenden Schauspieler geschrieben, in dem auch von einem Gespräch zwischen zwei Männern berichtet wird: „Warum beklagst du dich dauernd über diese Zeit. Es ist deine Zeit! Es sind dein Wissen, deine Erfahrung, deine Arbeit, die dich auf dich selbst zurückwerfen. Dies ist doch nicht dein Elend, dies sind deine Möglichkeiten…“20 Darin klingt nicht nur der neue Anspruch an, die Arbeit nicht mehr vorrangig über einen historischen Umweg zu definieren. Interessant erscheint vor allem, dass Wissen, Erfahrung und Arbeit als Medium des eigenen Ichs aufgefasst werden, dessen Möglichkeitsstruktur ausdrücklich betont wird.
Diese Beobachtung findet eine Bestätigung in der Tatsache, dass Huber den Katalog, in dem dieser Text abgedruckt ist, mit einem Motto aus Paveses Handwerk des Lebens versieht: „Man muss den Instinkt begünstigen, erforschen, anerkennen und stützen, ohne ihn in der Überlegung zu dämpfen. Aber dabei nachdenken muss man, im ihn bei der Tat zu begleiten und sich in den Augenblicken der Taubheit an seine Stelle zu setzen.“ 21 Cesare Pavese versucht in seinem Tagebuch nicht – wie in seinen Gedichten und Romanen - , „das Denken zu erzählen“, sondern die Mechanismen dieses schöpferischen Denkens selbst zu verstehen, ein Versuch, der Ähnlichkeit mit dem Experiment von Paul Valérys Cahiers hat.
Die Ordnung dieses Denkens, weiß Pavese, bleibt undefinierbar. Die poetischen Strukturen entstehen im Schatten jener Zusammenhänge, auf die sich die Absicht des Künstlers richtet. Der Wert der Werke besteht in dem, was „unter der Hand gewachsen“ ist, während der Künstler den konventionellen Regeln zu genügen sucht: „Das ist wahr am L’art pur l’art: man setzt sich an den Tisch und kostet die reine Willkür, eine Willkür, der die Notwendigkeit innerer Gesetze ein Salz ist, weil sie aus uns selbst eine Ordnung und eine Auswahl hervorbringt, die gefeit gegen jede Brutalität von außen, in unserem Bewusstsein selbst aufsteigt und pulsiert. Nach und nach wird diese Ordnung, die sich da herausbildet, notwendig, doch unser Genuss entsteht eben nach und nach und wird objektiviert.“22
Pavese spricht hier einen für die künstlerische Produktion und das künstlerische Denken zentralen Zusammenhang an zwischen scheinbar absichtslosem Gestalten und einer individuellen Ordnung, deren Vermittlung über die Stofflichkeit, jenes Skandalon der toten Materie, das die Reformatoren so provozierte, geleistet wird. Gerade durch die Veräußerlichung eines Gedankens in diesem den Denken so fremden Medium tritt eine Geistigkeit zutage, die die Schlüsse logischen Reflektierens nicht erreichen können. Paveses Tagebuch mit seinen vielen Wiederholungen und unkontrollierten Ausbrüchen zielt gerade darauf ab, im Prozess des Schreibens über Schreiben dessen Grundgesetze als eine im wahrsten Sinne des Wortes „poetischen“ Theorie erscheinen zu machen.
Dieser Sicht macht auch die neue Position Stephan Hubers aus und verbindet sich mit der Arbeitsphase der Reliefs. Den Arbeiten lässt sich das nur bedingt ansehen. Ein wesentliches Merkmal ist der Einbezug der abgebildeten Realitäten in einen abstrakten Kompositionszusammenhang. Dieses Abrücken von der Wirklichkeit und ihrer Darstellung leistet schon das Kontern der benutzten Bilder. Die spiegelverkehrte Wiederholung schränkt die Denotationskraft der Bilder ein und lässt über die Symmetrie die zeichnerische Struktur hervortreten. Die gewinnt noch dadurch zusätzliche Eigenständigkeit, dass sie einen formalen Beitrag zur Gesamtgestalt der Wandarbeit zu leisten hat. Bei Eisenherz wirken die Stahlträger der um 90 Grad gedrehten Deckenkonstruktion wie eine Aura des skulpturhaften Körpers in der Mitte. Diese Rasterwürfel und Kästen sind in ihrem Wirklichkeitsbezug zumindest auch zweideutig. Sie erinnern zwar an Lautsprecher, Radarschirme, auch an Architekturelemente wie Schießscharten und Türme. Doch bleiben diese Assoziationen so unbestimmt, dass sie die Autonomie der Objekte nur um so augenfälliger machen.
Huber wird auch in seinen Skulpturen mit kompositionellen Problemen gekämpft haben. Dass er abbildhafte Elemente derart deutlich einem gestalterischen Willen unterordnet, erscheint neu. Die Loslösung von Darstellung macht aus der Arbeit viel eher ein Dokument jenes regelgebenden Instinkts, von dem Pavese gesprochen hat. Die Autonomie moderner Kunst, 1981 in der Arbeit Der / Die / Das Schlauheit Widerstand und ich bin der Flieger angegriffen, erhält einen anderen Sinn. Gerade der Selbstbezug der künstlerischen Formen prädestiniert sie zu Indikatoren anhand deren Subjektivität in ihrer Latenz greifbar wird. „Heute interessiert mich eigentlich mehr der Grund meiner Faszination und diese ideelle Dimension, die ich in der Abstraktion versuche zu verarbeiten,“ äußert Stephan Huber selbst.23
Was auch für eine solche Interpretation spricht, ist die Entwicklung der Leitmotive in der Arbeit Stephan Hubers. Das Interesse für das Selbst, in den Installationen ganz offensichtlich, bei den Skulpturen aufgehoben in der Suche nach geistigen Prägungen, ist jetzt umgemünzt in eine forschend Darstellung von Kreativität. Das künstlerische Produzieren wird als Medium genommen, das Phänomene des Schöpferischen sichtbar werden lässt, die die ästhetische Reflexion prinzipiell nicht berühren kann. Das ermöglicht immer nur die Arbeit eines individuellen Künstlers, in dessen Werken sich ein Anspruch auf Allgemeinheit artikuliert. Insofern ist auch bei dieser Fragestellung eine enge Verbindung zwischen Individuellem und Allgemeinem gewährleistet. Dieser „Wille zum Wissen“ kann nie befriedigt werden. 24
Insofern erscheint das Motiv der Bewegung, das das gesamte Oeuvre Hubers durchzieht, hier eine geistige Dimension hinzugewonnen zu haben. Es taucht auf in der Dynamik der Entscheidungen und Positionsbestimmungen, die die einzelnen Werke leisten.
Mit seinem jüngsten Werkzyklus hat Stephan Huber ein Stadium des Arbeitens erreicht, in dem sich die Souveränität nicht mehr vorrangig auf einzelne Werke bezieht, sondern eher auf die Phrasierung ihrer Abfolge. Hinter den Skulpturen, Wandarbeiten, hinter der Sequenz der Bilder zeichnet sich latent eine Haltung ab, die mehr und mehr das eigentliche Interesse des Künstlers findet. Das ist das neue Thema, eine Ästhetik der Existenz, das die Arbeit an den Reliefs hat entstehen lassen. Es ist das alte, insofern es das Motiv der Selbstbefragung und der Bewegung in gewandelter Form fortführt.
Mit den einzelnen Themen und Motiven vermittelt sich über das Spiel von Ähnlichkeit und Differenz eine Komposition von Entscheidungen, eine Art von charakteristischem Kräftediagramm. Mit den Reliefs hat Stephan Huber ein Gestaltungsmittel gefunden, mit dem er insgeheim an einem außergewöhnlichen Werkstück arbeiten kann: an der eigenen Existenz.

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1 Vgl. Eduard Trier: Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert, Berlin 1971, S. 53 ff.
2  „Seine akkumulierten Gegenstände bzw. Bildelemente sind nicht nur Requisiten eines für Akteure benutzbaren Bühnenspiels, sondern … selber die Botschaft tragenden Schausteller und Träger der Handlung des moralischen Spiels.“
Thomas Deecke, „Das Spiel der Dinge“, in: Stephan Huber, Ausstellungs-Katalog Bonner Kunstverein 1985, S. 43. In ähnlichem Sinn äußert sich Monika Steinhauser: „Denkbilder“, in: Stephan Huber, Ausstellungs-Katalog Kunstraum München 1986. o.S. Angeregt durch einen Vergliech mit dem nouveau roman stellt sie fest, dass Huber „die innere Bewegung der Menschen durch sinnfällige Platzierung toter Gegenstände“ ersetzt.
3 Monika Steinhauser, a.a.O
4 Thomas Deecke in: Das Gottes reich fliegt: Der Kunstverein tanzt. Stephan Huber, Ausstellungs-Katalog Westfälischer Kunstverein Münster 1982, o.S.
5 Stephan Huber zitiert nach: „Installationen mit Widerhaken. Zwischen zerbrochenen Träumen und hochgebockter Prächtigkeit. Margarethe Jochimsen spricht mit Stephan Huber“, in: Stephan Huber, Ausstellungs-Katalog Bonner Kunstverein, S. 16.
6 Stephan Huber, a.a.O., S. 14
7 ebenda
8 ebenda
9 Charles Jencks, “Post-Modern und Spät-Modern, in: P. Koslowski, R. Spaemann, R. Löw (Hrsg.): Moderne oder Postmoderne?, Weinheim 1986, S. 233. Jencks zieht ausdrücklich eine Parallele zwischen Gegenreformation und Post-Modernismus und scheint in einer Nebenbemerkung geradezu Stephan Huber anzusprechen: „es gibt sogar eine neues Barock2. Seine Foderung richtet sich auf „eine allen gemeinsame symbolische Ordnung von der Art, wie sie eine Religion stiftet, jedoch ohne Religion“ (S. 235).
10 Colin Rowe, F. Koetter: Collage City, Basel/Boston/Berlin 1984, bes. S. 173ff. Originalfassung 1978.
11 K. Frampton, “Kritischer Regionalismus”, in: A. Huyssen, K.R.Scherpe (Hrsg.): Postmoderne. Zeichen eines kulturellen Wandels, REinbeck 1986, S. 159f.
12 Stephan Huber, zit. n. Monika Steinhauser, a.a.O., o.S.
13 Zur prägenden Erfahrung des Jungen durch die väterliche Fabrik vgl. Ausstellungs-Katalog Kunstverein Bonn, S. 14: „Das Interesse beim Betrachten der ersten Industriefotos. Die Erinnerung, als Kind durch die erwähnte Hutfabrik gegangen zu sein. Diese Hunderte von Arbeitern, verschwitzt an Maschinen, beim Zuschneiden, beim Bleichen, in der Modellschreinerei gesehen zu haben. Diese für meine damalige Vorstellung riesenhafte Fabrik mit den vielen Stockwerken, den verschachtelten Gängen, Lagern, Maschinen, Garniturräumen; dieser Lärm, die Hitze, es war eine völlig fremde und zugleich faszinierende Welt. Der rauchende Schornstein, das Kesselhaus waren prägende Kindheitserlebnisse, aber immer mit Angst besetzt; es war ein Moloch, wahrscheinlich vergleichbar mit Lang’s Kind-Erwachsenenphantasie von Metropolis. Ich glaube, auch heute ist bei mir noch sehr viel vorhanden von dieser angstbesetzten Faszination der Kindheit gegenüber der Fabrik.
Nur eben verbunden mit der Möglichkeit, sozilogische Zusammenhänge zu sehen und damit aus der Distanz diese Thematik aufzugreifen.“
14 Stephan Huber zit. n. Ausstellungs-Katalog Kunstverein Bonn, S. 12.
15 Werner Hofmann: „Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion“, in: ders. (Hrsg.): Luther und die Folgen für die Kunst, Hamburg 1984, S. 34f. In seinem neuesten Buch, Civitas, Frankfurt 1991, S. 63f, macht Richard Sennett eine protestantische Raum-Ethik“ für die „zwanghafte Neutralisierung der Umwelt“ verantwortlich.
16 Werner Hofmann, a.a.O., S. 33
17 Stephan Huber in einem unveröffentlichten Gespräch mit dem Autor, 1988.
18 „Sobald die von der Glaubenskraft gewirkten Bezugsfäden zum Nicht-Anschaubaren rissen, musste die Reliquie die ihr geliehene geistige Transparenz einbüßen und zum „Fetisch“ verdinglichen.“ Hofmann, a.a.O., S. 45.
19 Helmut Friedel, „Die tanzende Säule. Zur Fabrikenliebe Stephan Hubers“, in: Ausstellungs-Katalog Kunstverein Bonn, S. 23.
20 Stephan Huber, Rote Sonnen, in: Ausstellungs-Katalog Kunstraum München. O.S.
21 Cesare Pavese, Das Handwerk des Lebens, Tagebuch 1935-1950, Frankfur 1990, S. 169.
22 ebenda, S. 87
23 Stephan Huber, unveröffentlichtes Gespräch 1988.
24 Diese Formulierung, ursprünglich von Nietzsche, wurde zum Titel von Michel Foucaults erstem Band seiner Analyse Sexualität und Wahrheit, Frankfurt 1977 (Die Sorge um sich heißt der dritte Band, Frankfurt 1989). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Foucault, der mit seiner Diskurstheorie den „Tod des Subjekts“ propagierte, mit dieser Arbeit eine Denkkrise einleitete, Phänomene des Schöpferischen konnten in diesem Rahmen nicht berücksichtigt werden. In den folgenden beiden Büchern versuchte er seine These durch eine neue Theorie des Selbst zu ergänzen. Die Besinnung des Philosophen auf das Subjekt scheint eine Tendenz des zeitgenössischen Denkens auszudrücken, der offenbar auch das Werk von Huber folgt. Hier wie dort schält sich die „Ästhetik der Existenz“ als neue Erkenntnisebene heraus. Vgl. dazu W. Schmid, Denken und Existenz bei Michel Foucault, Frankfurt 1991, S. 161ff.




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