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Ludger Derenthal
Anders ausdrücken
Stephan Hubers allegorische Bildsprache
Als Sopraporte über der gründerzeitlich instrumentierten, eher unscheinbaren Tür einer gewöhnlich wirkenden Wohnung hängt ein Totenkopf auf einem ocker-gelb gestrichenen, nahezu quadratischen Feld. Gleich einer Aureole oder einem Nimbus strahlen von ihm fünf skelettierte Hände ab, dazwischen sind blattvergoldete, wohl hölzerne Sonnenstrahlen eingepasst. Der Schädel mit seinem Strahlenkreuz wurde allerdings nicht genau in der Mitte des Feldes platziert, er hängt vielmehr in der unteren Hälfte, direkt über dem Türsturz. Leicht nach unten geneigt könnte der Schädel mit seinem grausigen Beiwerk als Apotropaion grinsend den Besucher von den hinter der Tür lauernden Gefahren warnen. Doch ist seine Bedeutung keineswegs so eindeutig zu bestimmen. Gelten doch Totenköpfe andererseits in der christlichen Ikonographie als Symbole der Vanitas, der Eitelkeit und Vergänglichkeit. Die moralisierende Erinnerung an die Sterblichkeit des Menschen und die Nichtigkeit der irdischen Werte geht hier einher mit der Mahnung zur Umkehr und Buße. Gleichfalls sind Totenköpfe als Objekte der Meditation und Memoria Eremiten, Büßern und Philosophen beigegeben.
Stephan Huber ließ diese kleine, „Barocco“ betitelte Arbeit im Katalog zu seiner Ausstellung im Münchner Kunstraum 1986 gleich zweimal reproduzieren, zum einen wird mit einer Fotografie die Platzierung der Arbeit über der Tür und damit ihre spezifische Ortsgebundenheit dokumentiert, zum anderen schmückt sie gleichsam als Intarsie den roten Umschlag des Katalogs und scheint so gleich einem Totenkopf auf Giftflaschen vor dem falschen Gebrauch des Inhalts zu warnen.
In den Jahren um 1990 gehörten Knochen, Schädel und Skelette zum festen Repertoire Hubers, der immer schon mit Versatzstücken arbeitete, sie immer neu zusammenstellte. Ihm dienten Totenschädel als Zwischenstücke von Säulenskulpturen („Astrachan“, „Petrograd“, jeweils 1990), bei ihm saßen Skelette lässig als Akteure und Präsentationsfiguren auf hohen Konsolen („Das Ende der Kindheit“, 1986, „Verkündigung“, 1988), wurden Knochenhaufen auf hochgebocktem Parkett geschichtet („Richter der Vernunft“, 1992) und suchten mit überlangen Eisenstangen stabilisierte Skelette nach Licht unter einem ebenfalls mit Parkett ausgelegten Fußboden („Ohne Titel“, 1986/1992/1994). Noch 1995 lud er mit einer Aufnahme eines grotesken Kronleuchters, der sich aus Wirbelsäulen, Arm-, Bein- und Beckenknochen sowie vier Leuchtkästen zusammensetzte, zu seiner Ausstellung „als ich noch Waldbauernbub war (o.-.)“ ein.
Dabei zitiert und variiert er offensichtlich einen der Kunstgeschichte entlehnten Formenkanon. So finden sich in München in Kirchen aus dem Barock und dem Rokoko an Grabmälern wirkungsmächtige und vorbildhafte Inszenierungen, etwa am Zech-Epitaph in St. Johannes von Nepomuk (besser bekannt als Asamkirche) von Ignaz Günther aus den Jahren 1757/58. In einer Entwurfszeichnung hat der Bildhauer seine erste, später am Gedächtnismal variierte Idee zur Figurengruppe festgehalten.[1] Hier schneidet der aus einer Höhle hervorkriechende Tod als Knochenmann mit einer großen Schere den Lebensfaden ab, der von einer jungen Moira/Parze im wehenden Gewand an einem Spinnrocken gewebt wird. Günther unternahm hier bereits eine eigenwillige Verdichtung antiker und christlicher Todesvorstellungen, waren doch die drei Parzen Klotho, Lachesis und Atropos allein für Spinnen, Verteilen und Trennen des Lebensfadens zuständig und hatten den spätmittelalterlichen Totentänzen entstammenden Knochenmann als Helfer nicht nötig. Und schließlich ist dieser mit Sense, aber ebenfalls mit Pfeil und Bogen ausgestattet als Schnitter wie auch als Jäger gekennzeichnet.
In einer Zeit, als die verbindliche Sprache der Kunst bereits verloren zu gehen drohte, als die barocken „Bildmaschinen“ in dem sezierenden Raisonnement der Aufklärung der Lächerlichkeit preisgegeben wurden, suchte Ignaz Günther in der Verdichtung eine szenische Komposition, die immer noch eindeutig lesbar war, jedoch nicht mehr auf der Wirkmacht eines einzigen Kanons beruhte. Die bei Günther zunächst noch vorsichtige Freisetzung der Bildsprache, die bald beliebige Kombinierbarkeit ihrer Ingredienzien wurde zwar durch die Bildungsanstrengungen des Bürgertums im 19. Jahrhundert in historistisch überladenen Arrangements teilweise wieder aufgehoben, doch eröffneten die Montagetechniken Dadas und der russische Revolutionskunst weitreichende, bislang unbekannte Ausdrucksmöglichkeiten, die alle bislang eingeübten Verbindlichkeiten der Aussage negierten.
Im Vergleich mit einer Illustration aus einem einige Jahre zuvor erschienenen wissenschaftlichen Werk mag erkennbar werden, wie sehr Günthers Epitaph bereits das Ende einer langen Tradition markiert. Die Titelillustration von William Cheseldens „Osteographia. Or the Anatomy of the Bones“ (1737) zeigt auf drastische Weise den im 18. Jahrhundert üblich gewordenen nüchternen Umgang mit dem Tod. Kopfüber hängt der Rumpf eines menschlichen Skeletts an einem dreibeinigen Stativ, um einem Künstler, der an einer in der linken Bildhälfte platzierten Camera obscura sitzt, zur Grundlage seiner Zeichnung zu dienen. Der naturwissenschaftliche Blick auf die Welt, der emotionslose Gebrauch der menschlichen Überreste zur Erforschung seiner Konstitution stehen in einem erheblichen Bedeutungsgefälle zu dem Versuch am Zech-Epitaph, mit der Kombination mehrerer Überlieferungsstränge eine Steigerung der Memorialfunktion zu erreichen. Und es ist ohne Frage der Umgang der Naturwissenschaften mit dem Tod, der mittlerweile unsere Wahrnehmung bestimmt, selbst wenn noch Reste der christlichen und antiken Mythologie in manchen Bereichen zu überleben scheinen.
Für Stephan Huber sei, so wurde konstatiert, „mittlerweile die ganze Kunst- und Kulturgeschichte zum „Steinbruch“ seiner Montagen geworden“.[2] Er selbst und auch Kunstkritiker und historiker verwiesen vor allem auf die enge Verwandtschaft seiner Rauminstallation zu den theatralischen Inszenierungen des Barock.[3] Demgegenüber scheint die hier versuchte Verschiebung der Referenzebene hin zum Rokoko zunächst nicht notwendig. Doch lassen sich auf diese Weise in Hubers Skulpturen und Rauminszenierungen nicht nur Anknüpfungen an den Motivkanon einer in Krisenzeiten entstandenen Kunst nachweisen, die sensibel auf den Zerfall verbindlicher Normen reagierte, sondern können auch die Möglichkeiten seiner Bildsprache im Vergleich besser abgeschätzt werden. Verwandt ist bei dem „Theatrum sacrum“ Ignaz Günthers und dem „Lager im Kopf“ Stephan Hubers vor allem das Vertrauen in einen allegorischen Ausdrucksmodus, der allerdings von einem in den Kunstwerken selbst nachweisbaren Zweifel an der Gültigkeit eindeutiger Aussagen begleitet wird.
Huber selbst untermauerte in Presseerklärungen und in Interviews gleich mehrfach sein Vertrauen in die Kraft der uneigentlichen Darstellungsweisen: „Der Glaube an eine verbindliche Bildsprache, an Metapher und Symbol, jenseits der Illustration durchzieht mein Werk.“ Und: „Einer meiner Ausgangspunkte ist der traditionelle Aspekt der Bildsprachlichkeit. Eigentlich eine Gegenposition, wo es doch hauptsächlich um deren Auflösung geht. Ich sehe mich da eher in der Tradition des Emblems, der Allegorie oder der Metapher, also des Barocken.“ Und: „Es war Aby Warburg, der darauf hinwies, dass in der europäischen Kunstgeschichte ein bestimmter Formenvorrat mit klar bestimmten Bedeutungen existiert, mit Formen, die sich als Embleme, Metaphern und Symbole lesen lassen. Das ist es, was mich interessiert, das ist mein Reservoir außerhalb des Reservoirs des Alltags. Aus diesen zwei Steinbrüchen entsteht meine ganze Arbeit.“[4]
Die von Huber synonym verwendeten Begriffe Emblem, Symbol, Metapher und Allegorie entstammen der Rhetorik, die insbesonders in der Frühen Neuzeit sämtliche kommunikativen Zusammenhänge prägte. Die affektive Überzeugungskraft rhetorischer Vorgangsweisen speziell in der bildenden Kunst beruht auf der Möglichkeit, durch Steigerung und Überbietung die Ausdruckskraft von Bildformeln zu verstärken. Wirkmächtig bleiben diese rhetorisch fundamentierten Bilder durch den Einsatz von im Laufe der Zeit konventionalisierten Mustern, die allerdings gleichermaßen in einem kontinuierlichen Erosionsprozess an Aussagekraft einbüßen. Die metaphorisch aufgeladene Geste des Todesschnitters am Zech-Epitaph etwa droht auf der materiellen Ebene in dem Augenblick an Prägnanz zu verlieren, wo Sensen nur mehr im Volkskundemuseum gesehen werden können und dem gewöhnlichen Gebrauch entzogen sind. Auch muss die Illustration aus der „Osteographia“ William Cheseldens dann unverständlich bleiben, wenn man den aufgebockten Holzkasten nicht als Camera obscura zu identifizieren vermag. Stephan Huber begegnet dem schleichenden Bedeutungsverlust durch Beifügung von Zutaten aus seinem „Reservoir des Alltags“, das in den letzten Jahren wohl an Bedeutung gewonnen hat. Die Möglichkeit, das gerade dieses Reservoir besonders zeitgebundenes Material bereitstellt, wird von ihm bewusst in Kauf genommen. Für ihn ermöglicht der Rückzug auf das „monadische Erfahrungs-Ich“ eine neue „Freiheit zum Ausdruck“.[5]
Allerdings wird der von Huber angesprochene traditionelle Formenvorrat von ihm nicht direkt und ungebrochen ausgenutzt. Weder Symbole noch Metaphern sind in ihrer Bedeutung eindeutig festgelegt. Mehr noch gilt dies für Embleme, die immer des Zusammenwirkens von Text und Bild bedürfen, und für Allegorien, die abstrakte Begriffe und Vorstellungen anschaulich oder sinnbildlich darstellen. Allegorisches Arbeiten, um die für Hubers Vorgehensweise wohl einschlägigste Kategorie hervorzuheben, heißt im Wortsinn: etwas „anders ausdrücken“. Mit einem Vergleich oder durch die Konstruktion eines Gegensatzes wird eine Sinnübertragung vom Gesagten hin zum Gemeinten unternommen. Das sinnlich Wahrnehmbare und die geistige Bedeutung werden dabei in einem Zustand der Separiertheit festgehalten, es wird keine Verschmelzung der Ebenen versucht. Damit eignet der im allegorischen Modus getroffenen künstlerischen Aussage eine oszillierende, schillernde Vieldeutigkeit, die in der sich zwingend an die Allegorie anschließende Allegorese, der Auslegung, aufgehoben werden soll.
Das Aufreißen der Bedeutungsmöglichkeiten in einer bildlichen Allegorie kann jedoch auch in der vom Betrachter, vom Künstler selbst oder vom Kunstkritiker zu leistenden Interpretation nicht wieder sprachlich normalisiert werden. Im Gegenteil: den Allegorien beigegebene Kommentare und Sinnsprüche leisten oft eine weitere Steigerung der Vielschichtigkeit, funktionieren wie die Subscriptio eines Emblems.
Stephan Hubers Allegorien sind dabei von ganz unterschiedlicher Komplexität. Sein inzwischen passenderweise im Besitz einer Bank befindlicher „Altar/Cree“ (1988) war der Versuch, „das Platteste und gleichzeitig Verbindlichste“ zu nobilitieren „und einen für die Ewigkeit bestimmten Mosaikaltar des 20. Jahrhunderts“ zu bauen.[6] Am oberen Ende einer monumentalen Treppe wurde der Altar bei seiner ersten Präsentation in schlichter Strenge inszeniert. Auf einem gestuften Aluminiumgesims tragen neun Dreieckskonsolen ein sich energisch vorwölbendes Bildfeld, in das mit schwarzer Schrift in klassischer, versaler Antiqua auf rotem Grund das Word GELD als Mosaikarbeit eingelassen ist.
Die Würdeformeln eines Altars sind auf ein Minimum reduziert, und ähnlich schlicht scheint auch die von Huber im Interview angedeutete, ebenso nahe liegende wie radikale Aussage des Kunstwerks. Doch bei jedem Versuch, die Interpretation sprachlich zu konkretisieren, werden Bedeutungsebenen hinzugefügt, die sich nur an das Kunstwerk anlagern, es aber nicht ersetzen können. Dieser Befund gilt selbstverständlich für die gesamte bildende Kunst. Allerdings wird die Möglichkeit, überhaupt zutreffende Deutungen liefern zu können, durch die Synthese von ursprünglich nicht zusammengehörigen Einzelteilen ein heterogenes Neues, das komplexen visuellen Wechselwirkungen unterliegt. Die Interpretation der Elemente eines auf diese Weise zusammengesetzten Kunstwerks führt also nicht notwendigerweise zur schlüssigen Auslegung der Gesamtbedeutung.
In der Rhetorik gilt eine Allegorie vor allem dann als nachhaltig, wenn sie dunkel und in Rätseln sprechend zu ihrer Auflösung auffordert, diese aber letztlich verweigert. Der in der Betrachtung produktiv bleibende Überschuss an Auslegungsmöglichkeiten einer sich enigmatisch gebenden Allegorie wird in der bildenden Kunst vor allem dann erzeugt werden können, wenn die einzelnen Bestandteile des Kunstwerks aus möglichst gegensätzlichen Bereichen stammen, wenn die Arbeit gegen Wahrnehmungsgewohnheiten rebelliert oder wenn sie an zunächst unpassend erscheinenden Orten platziert wird.
So steigert Huber bei einigen seiner Arbeiten die Kontraste weitest möglich. „Arbeiten im Reichtum, 10“ (1985/97), ein wie zufällig in einer gewöhnlichen Schubkarre abgelegter Kronleuchter, der durch die elektrische Beleuchtung in deutlichem Gegensatz zum matten Metall des Karrens steht, gewann, seit er im ansonsten leeren Lichthof des Neubaus der Hamburger Kunsthalle ausgestellt wird, noch an Bedeutungstiefe hinzu. Nun erst wirkt die Arbeit in seinen Dimensionen völlig disproportioniert gegen den hohen Lichthof, steht das warme Licht des Kronleuchters dem Tageslicht gegenüber, werden die Materialwirkungen durch die Spiegelung im glatten Marmor des Fußbodens geradezu herauspräpariert. Hier kann sich das von Huber beanspruchte Material aus dem „Reservoir des Alltags“ in seiner Fallhöhe gegen die Würdeformeln der Architektur durchsetzen.
Aus dem Alltag, aus der Erinnerung an das eigene Leben entnimmt Stephan Huber eklektizistisch Fragmente. Der immer wieder konstatierte Bezug zu seiner Heimatregion, dem Allgäu, zu den Erfahrungen der Kindheit kann auch von ihm nur in einem bruchstückhaften, verschlüsselten Bericht bestätigt werden. Mit den Erinnerungsfetzen scheinen einige Themen gerade der in den letzten Jahren entstandenen Arbeiten assoziiert. „Besitz: Goldmann-Weltatlas, v.a. die Karten der stadtlosen Regionen (Sibirein/Brasilien/Grönland). Befahren der Flussläufe.“ Und: „Die Allgäuer Heimat ist ein an die Alpen gepresstes Hügelland. Der Blick nach Norden ist unverstellt. Doch die Augen sind auf die Berge gerichtet. Alles wartet auf den Schnee. Der lange Winter legt sich über die Wirklichkeit, Leben verschwindet in der Kälte des weißen Gewebes. Déja vu: ein weicher stummer Zustand. Einbildung streicht über den weißen Grund, stört und formt ihn.[7]
Doch führt der Versuch, diese Splitter zu einer klaren Erzählung zusammenzufügen, ebenso in die Aporie wie eine Interpretation der Rauminstallationen und Skulpturen Hubers, die sich allzu einseitig auf diese Texte berufen würde.
Gewiss, die Abgüsse der Alpengipfel und die neonblau leuchtenden Flussläufe der Alpen in der Arbeit „Gran Paradiso“ (1997, Neue Messe München) stellen sich in den gleichen Kontext wie Hubers Erinnerungen. Doch zu welchen eindeutigen Aussagen sollte die Verknüpfung von Kunstwerk und Text führen, die dann ja auch für die anlässlich der jetzigen Ausstellungsreihe entstandenen Räume, etwa das Modell des Elternhauses in der Eislandschaft oder die labyrinthisch aufgestellten Landkartenbilder, analog gelten müssten. Hier bewährt sich die allegorische Struktur seines Arbeitens, das die Bedeutungen offen hält. Es werden nicht immer wieder die gleichen Fragestellungen mit neuem Material angegangen, sondern durch die Heranführung weiterer Fragmente entsteht ein offenes Gewebe, das vielfältige Ausdeutungsmöglichkeiten bereithält.
Ähnlich lässt sich auch die gesamte Anlage des Parcours für Hubers aktuelle Ausstellungstournee kommentieren soweit sie vor Eröffnung der ersten Etappe in Hannover in ihrer Konzeption bereits bekannt war. Durch die Einbauten von kleineren Kammern, von zusätzlichen Türen unterschiedlichster Größe, durch die Vertauschung von Plafond, Fußboden und Wand sorgt Huber für eine gründliche Veränderung der Wahrnehmungsgewohnheiten. Eine der frühesten Arbeiten aus dieser Haltung ist „Ich liebe Dich“ (1983), die wieder mit ausgestellt werden wird. Der „Prozess einer durchgängigen Fiktionalisierung von Wirklichkeit“[8], der hier seinen Anfang nahm, musste mit der Neugestaltung des den Betrachter umgebenden Raumes einsetzen. Hier klebt die Deckenrosette am Boden, ist das Fußbodenparkett an die Wand versetzt worden und stehen zwei Sessel im Dialog miteinander.
Der unbetitelte Umbau des Projektraum Berlin im Frühling 1997 zeigt die weiteren, den Besucher einbeziehenden Möglichkeiten einer solchen Verwandlung an. Der Besucher musste sich zunächst durch eine winzige Tür zwängen, um im dahinter liegenden Zimmer unter einem riesigen Hut einer Frauenstimme zuhören zu können. Das Hörstück aus dem Hut steht hier am Ende eines kleinen Parcours, der allegorisch instrumentiert ist. Die Raumerfahrung selbst lässt aus dem Besucher einen Riesen und dann einen Zwerg werden, ohne dass er sich selbst dazu verändern müsste.
Das Spiel mit den neuen Raumerfahrungen wird für die neue Ausstellungstournee noch forciert werden. Mächtige Flügeltüren führen hier in schmale Gänge. Eine mit Edelstahl verkleidete Kabine steht für eine Aufzugskabine wie für eine Herzkammer. Insbesondere die zahlreichen neu eingebauten Türen werden gegen ihre konventionelle Funktionalität gerichtet, sie eröffnen tatsächlich den Zugang zu neuen Erfahrungsräumen. Es haben hier die Türen selbst von den Sopraporten die allegorische Redeweise übernommen.
[1] Gerhard P. Woeckel: Ignaz Günther: Die Handzeichnungen des kurfürstlich bayerischen Hofbildhauers Franz Ignaz Günther (1725-1775). Weißenhorn 1975. S.246-251. Peter Volk: Ignaz Günther, Vollendung des Rokoko. Regensburg 1991. S.56.
[2] Stephan Schmidt-Wulffen, Arbeiten im Reichtum. In: Künstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst. München 1989. S.3-6, hier S. 6.
[3] Siehe etwa: Peter Frank: The shape of belief. Formation and information in the work of Stephan Huber. An american viewpoint. In: Stephan Huber. Ausst.-Kat. Karl Bornstein Gallery Santa Monica und Galerie Six Friedrich, München 1989. S.7-11, hier S. 8 Schmidt-Wulffen (wie Anm. 2), S.6. Heinz Schütz: Der hängende Brünnen. In: Stephan Huber: Die Alpen. München 1992. (Hypoart) o.S. Installationen mit Widerhaken. Zwischen zerbrochenen Träumen und hochgebockter Prächtigkeit. Margarethe Joachimsen spricht mit Stephan Huber. In: Stephan Huber. Ausst.-Kat. Kunstverein Bonn. Stuttgart 1984. s5-19, hier S. 5 und 12.
[4] Stephan Huber: Pressemitteilung. Zit. von Jochen Kronjäger: Bilanz eines Dezenniums. (Gespräch mit Stephan Huber). In: Stephan Huber: Bauplatz. Ausst.-Kat. Kunsthalle Mannheim 1994. S.23-49, hier S. 23. Ebenda, S.26. Stephan Huber: Es gibt eine Verbindung von Geld und Tod. Ein Gespräch mit Heinz Schütz. In: Kunstforum. Nr. 102, 1989. S. 142-149, hier S. 148.
[5] Stephan Huber: Reservoir. In: ders.: Nordwand Südkreuz. Ausst.-Kat. Von der Heydt-Museum Wuppertal. Stuttgart 1993, S. 7-9, hier S. 8.
[6] Huber im Gespräch mit Heinz Schütz (wie Anm.4), S. 142
[7] Huber (wie Anm. 5), S. 7.
[8] Armin Zweite: Ich liebe Dich. In: Stephan Huber: In situ Projekte. Kunst im Dialog mit ihrem Ort. München, London, New York, 1998. S. 124.
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