Katastrophen und Rettung
Versicherungskammer Bayern, München 2004
„Katastrophen und Rettung“
Das Kunstwerk besteht aus drei Teilen, die sich über den gesamten Lichthof des neuen Gebäudes der Versicherungskammer Bayern erstrecken.
Im vierten Obergeschoss, an der Lichthofwand der Konferenzräume befindet sich die „blaue Bibliothek“, ein Ornament aus Büchern, das sich frei und ohne System über die Wand zieht. Alle dort in der Wand eingelassenen Bücher haben direkt oder indirekt mit Rettung zu tun, vom „Lexikon der Wunder“, über Anna Seghers „Die Rettung“, bis zu Joseph Beuys „Meine Rettung aus der Krim“. Die Titel pendeln zwischen Ironie und Ernst, die Bücher sind zum Teil real, zum Teil fiktional (Die Verlage „Sublime“, „Pure Form“ und „Labyrinth“ sind „meine“ fiktiven, immer wieder verwendeten Verlage). Keines der Bücher ist benutzbar, sie vermitteln sich dem Betrachter nur durch die bedruckten Buchrücken. Der Betrachter soll sie gedanklich mit dem möglichen Inhalt füllen.
Ausgehend von der „blauen Bibliothek“, entwickelt sich in deren Höhe, jedoch frei im Luftraum, eine blaue Neonschriftspirale, die sich zwei Stockwerke tiefer mit einer roten Neonschriftspirale verzahnt. Das Neon ist in eine Drahtseilkonstruktion eingeklinkt, die frei im Luftraum verspannt ist. Beide Neonschriften sind Fragmente aus Heinrich von Kleists „Das Erdbeben in Chili“. Die blaue Schrift thematisiert die Rettung und die Hilfe: Die blaue Neonschrift ist die Nachbildung der Handschrift von Herrn Prokop, dem Vorstandsvorsitzenden der VKB, der vereinfacht gesagt für Rettung und Hilfe zuständig ist.
Die rote Schrift thematisiert das Chaos und die Katastrophe und ist meiner Handschrift nachgeformt.
Die rote Schrift beginnt im ersten Obergeschoss, parallel zu den drei roten Kästen über dem Eingang zur Cafeteria.
Das rote und blaue Neon treffen in der Mitte der Spirale aufeinander und schliessen sich zu einer Form. Wie ein riesiger, umgebauter, moderner Kronleuchter hängt dieses Lichtobjekt im Raum, das auch ein Wirbelsturm aus Buchstaben sein könnte. Dieses Lichtobjekt schwankt zwischen klarer Form (der Drahtseilverspannung) und dem Chaos der Schrift und der Stromkabel. Abends verstärkt sich der optische Eindruck durch vielfältige Spiegelungen der Schrift in der Glasdecke, auf Fenstern und Glasbalustraden.
Die drei roten „Katastrophenkästen“ haben auf der Lichthofseite jeweils einen Sichtschlitz, der den Blick auf Videoloops in den Kästen ermöglicht. Zu sehen sind ein brennendes Gebäude, eine Hütte, die von einer Lawine zerstört wird und schließlich ein Haus, das von einer Flutwelle weggespült wird. Durch die ständige Wiederholung des Videos schwanken diese Katastrophen zwischen Bedrohung und Slapstick und haben wie alle anderen Bestandteile dieses Kunstwerk mit dem Metier einer Versicherung zu tun. Ich habe versucht, den „Inhalt“ des Gebäudes, also das Thema der Versicherung, des Schutzes, der Hilfe, aber auch des Unheils und der Katastrophen in eine künstlerische Form umzusetzen. Wie in allen meinen Arbeiten versuche ich Orten eine unverwechselbare Identität zu geben, indem sich das Kunstwerk auf den Kontext des Gebäudes bezieht.
Stephan Huber
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