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![]() Das Positive der Zauberformel >identitätsstiftend< besteht darin, daß sie im Sinne konstruktivistischer Einsichten gesellschaftliche Entitäten nicht als gegeben, sondern als konstruiert erachtet. Sie schweigt sich allerdings darüber aus, wie die Verknüpfung von Ort und sozialer Entität zu leisten ist. Offensichtlich spuken im Hintergrund Modelle einer Art gesellschaftlicher >corporate identity< herum, so als seien die Bewohner und Benützer eines Ortes Teil einer Firma, der es nur noch am entsprechenden Erscheinungsbild fehlt. Sie schweigt sich ebenso darüber aus, wessen Identität gemeint ist und wie sich heute personale und soziale Identität definieren läßt. Ohne der postmodernen Idiologie von der Multiidentität zu verfallen: Die Identität des Einzelnen ist extrem vermittelt und hochkomplex geworden und hat längst die Bezüge zum Ort hinter sich gelassen. So betrachtet, kann der kursierende Begriff >identitätsstiftend< als Symptom einer Krise verstanden werden. Es ist die Krise der Orte. ![]() Um was für einen Ort handelt es sich? Im Osten Münchens, auf dem Areal des ehemaligen Flughafens Riem, entstand das neue Messegetände der Stadt, das in Zukunft von einem Gewerbegebiet mit 13ooo Arbeitsplätzen und Wohnungen für 16ooo Personen umgeben sein wird, so zumindest will es die Planung. In Hochglanzbroschüren, mit denen die Stadt für den neuen Stadtteil wirbt, verweist sie nicht zuletzt auf den Alpenblick, der sich bei klarem Wetter für die Wohnungen in Randlage einstellen wird, ein Blick, der den meisten Münchnern verbaut ist, der aber auf Ansichtskarten und Postern suggeriert, die ins legendäre Föhnlicht getauchte Alpenkette erhebe sich am Rand der Stadt. Das westliche Vorfeld der Messe wird zusammen mit dem sich anschließenden Stadtplatz das Zentrum des neuen Stadtteils bilden. ![]() Mit Gran Paradiso inszeniert Stephan Huber ein sich seiner selbst bewußtes Theater des Ortes. Er (re)produziert den Ort der Aufstellung auf symbolischer Ebene, er hievt die Alpengipfel und Alpenflüsse auf die Bühne der Zeichen und stellt damit den Bezug zur Topologie Münchens als Stadt am Rande der Alpen her. Gleichzeitig setzt er kulturelle Traditionen der Region fort, die immer noch geprägt ist vom barocken, gegenreformatorischen Erbe und dem daraus resultierenden Hang zur materialen Ausschweifung und Theatratität. Dementsprechend kommt auch die Schaulust im Gran Paradiso auf ihre Kosten, wenn etwa bei einsetzender Dämmerung das Licht der Neonflüsse die Wasseroberfläche vor der Vitrine zunehmend blau färbt, oder wenn hinter den Alpen im Regal die Sonne in allen denkbaren Rotschattierungen untergeht. Mit dem Barock teilt Stephan Huber im Gran Paradiso die Lust an der Tautologie des Ortes. Doch wenn im barocken Theater etwa der Ort der Aufführung in ittusionistischer Vergegenwärtigung auf der Bühne erscheint oder sich das Portal der Hinterbühne öffnet, um die Realität in den Status der Bühne zu erheben, geht es gemäß der Devise »die Welt ist Schein« um das Oszillieren zwischen Illusion und Wirklichkeit. In Hubers Gran Paradiso hingegen gibt der >Bühnenmechanismus< seine Konstruktion preis - die Konstruktion dominiert das Konstruierte. ![]() In dialektischer und idealistischer Philosophie galt das Paradies als Ort, an dem Subjekt und Objekt noch ungeschieden waren. Gran Paradiso ist der Name eines Berges. Berge sind im Gegensatz zum verlorenen Paradies begehbar, was jedoch nicht bedeutet, daß sie die Spaltung von Subjekt und Objekt rückgängig machen. Stephan Huber stellt den Gran Paradiso ins Regal. Heinz Schütz |