In Hubers Gran Paradiso hingegen gibt der >Bühnenmechanismus< seine Konstruktion preis - die Konstruktion dominiert das Konstruierte. Das Alpenpathos kollidiert mit dem Pathos der Konstruktion. Eine ironische Spannung entsteht. Sie wird verstärkt durch die Verkehrung, die das Kleine (Vitrine und Regal) groß und das Große (Berge und Ftüsse) klein erscheinen läßt. Um auf die Frage nach der >ldentitätsstiftung< zurückzukommen: Ohne Zweifel entzieht sich das Werk nicht unbedingt seiner Vereinnahmung durch die Messe. Das heißt, es trägt sogar durchaus zur >corporate identity< der Messe bei, insofern es die Messe durch den Verweis auf den Ort als Münchner Messe spezifiziert. Affirmative Züge ließen sich auch darin vermuten, daß das Gran Paradiso die Lektionen der Heimatkunde bestätigt und womöglich die Identität der Bewohner des neuen Stadtteils über die Landschaft definiert. Wer allerdings so argumentiert, verkennt den ironischen und selbstreflexiven Charakter von Stephan Hubers Paradies, der dann zutage tritt, wenn Vitrine und Regal nicht nur als funktionate Träger betrachtet werden, sondern auch als semantische Gebilde. Regale sind gewöhnlich Orte der Aufbewahrung, insofern wird Landschaft hier zu einer Art von >Heimat im Museum<. Vitrinen dienen der Zurschaustellung insbesondere auch zum Zweck des Verkaufes. Damit scheinen zwei Topoi auf, die den Warenzusammenhang und das Verschwinden der Orte mit der Topologie in Verbindung bringen. Das heißt, >identitätsstiftend< liefert das Gran Paradiso einen ironischen Kommentar zur >ldentitätstiftung<. Im Rückgriff auf Vitrine und Regal bemächtigt sich Stephan Huber der Werkzeuge des Museums und der Messe.
In dialektischer und idealistischer Philosophie galt das Paradies als Ort, an dem Subjekt und Objekt noch ungeschieden waren. Gran Paradiso ist der Name eines Berges. Berge sind im Gegensatz zum verlorenen Paradies begehbar, was jedoch nicht bedeutet, daß sie die Spaltung von Subjekt und Objekt rückgängig machen. Stephan Huber stellt den Gran Paradiso ins Regal.
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