Zwei Pferde für Münster
2002 LVM Versicherung
Kolde-Ring 21 - Münster
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Rede von
Professor Dr. Manfred Schnekenburger
zur Übergabe der Skulptur an den LVM
im Oktober 2002
Wir begegnen einem der ältesten und beliebtesten Motive der Kunst. Den Höhlenmalereien von Altamira folgen unzählige Darstellungen in Ton, Bronze, Stein, Reiterstandbilder von der Antike bis weit ins 19. Jahrhundert. Die Zähmung des Pferdes, das sich aufbäumt, ist ein heroischer Archetyp. Pferde waren immer mehr als Arbeitstiere: Ein Zeichen, in dem der Held siegt oder untergeht, das mythische Bild einer kriegerischen, aristokratischen Vergangenheit, das sich eng mit den dramatischen Schicksalen der Menschheit verknüpft.
Es zieht sich durch die ganze Kunstgeschichte und lenkt den Blick zurück. Daran erinnert Huber in einem großen Bogenschlag. Doch die Pferde in Münster weisen gleichzeitig in die Gegenwart. Ihr Lichtwesen greift einer hochtechnologischen Utopie voraus. In dieser Doppelexistenz wiederholt sich ihre Entstehungsmodalität. Beide Pferde wurden zunächst - im traditionellsten aller Verfahren - mit der Hand modelliert. Dann wurde das kleine Modell tomografisch abgetastet, um exakte Körperdaten zu gewinnen. Mit Hilfe des Computers ließen die Daten sich in eine Anzahl horizontaler Schnitte zerlegen. An den Skulpturen hat also beides teil: die urtümlich formende, knetende Hand und ein supermoderner digitaler Transfer.
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Jede der waagerechten Ebenen des Neon ist in sich geschlossen. Jede kurvt in sich. Die Abstände sind klein genug, um die Illusion des perfekten Pferdekörpers zu sichern. Groß genug, um die Pferde frei von Masse und transparent zu halten. Sie vereinen so die atmende, schwellende Vergegenwärtigung mit einer kühnen Abstraktion.
Das Ergebnis liegt auf einem Strang der Plastik, der sich durch die ganze klassische Moderne zieht: Körper werden auf Linien gezogen, Volumina reduzieren sich auf ein Drahtgespinst. Beispiele gibt es genug - von Alexander Calder über Picasso bis zu Norbert Kricke, der die Schönheit der Liniendynamik entdeckt, als er gegen 1950 fasziniert die Armatur für eine Gipsfigur sieht. Seitdem strömen seine Skulpturen als strikter Linienverlauf.
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Huber steht nicht in unmittelbarer Nachfolge dieser Künstler - doch die lineare Auflösung der Pferde überwindet ebenfalls Statik und Körperlichkeit. Sie überwindet sogar die Strenge des konstruktiven Gerüstes, das im schieren Licht aufgeht. Träumt Huber einen Traum zu Ende, den die Plastik im 20. Jahrhundert immer wieder träumt?
Noch etwas ist wichtig: der Aufstellungsort. Das trabende Pferd bewegt sich entlang der Waagerechten, im Zug von Straße und Verkehr, der am gemächlicheren Trab vorbeirauscht. Pferd und Automobil - zwei Welten? Das steigende Pferd kehrt sich beim Aufbäumen in die Senkrechte, in Richtung Arbeitswelt der Versicherung. Steigert die heroische Denkmalpose des wild erregten Pferdes den Kontrast zum Büroalltag? Auch hier: zwei Welten? Sie sehen: Sie dürfen, sollen Ihre Gedanken schweifen lassen. Spekulationen sind erlaubt, ja erwünscht.
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An der Weseler Straße stehen ab heute zwei Skulpturen, die den öffentlichen Raum nicht nur schmücken, sondern interpretieren, ja, direkt neben einer Verkehrstrasse erst herstellen. Sie erfüllen damit die wichtigste Aufgabe einer urbanen Kunst.
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© Fotos W. Hiegemann Münster
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