DIE ALPEN 1992 München Flughafen Muc II Bild, Relief, Skulptur und Architektur gehen fliessend ineinander über. Barocke Kunst entfaltet einen Sog, der den Betrachter ins Spiel mit den Illusionen hineinreisst. Es dominieren die pathetische Zurschaustellung, die Inszenierung, das Theater. Der theatrale Impetus und die Verwischung der Gattungsgrenzen finden sich auch bei Hubers Brunnen. Oder sollte man besser sagen Skulptur? Oder handelt es sich um eine neue Art von Trompe-l'ceil? Ein Bild hängt gewöhnlich an der Wand. Die klassische Skulptur steht im Raum. Brunnen sind meist Skulpturen oder Architekturen. Und nun: ein hängender Brunnen? Die drei Ebenen des Brunnens - sie sind auf die drei Geschosse der Flughafenarchitektur bezogen - entsprechen verschiedenen Darstellungs- bzw. Realitätsebenen. 1. Das Gebirgsbild: Es handelt sich um ein Mosaik. Der preziöse und etwas altertümelnde Duktus, der dem Mosaikhandwerk heute eignet, bricht sich an dem technoiden Verfahren der Aufrasterung, d.h. die Fotovorlage wurde mit Hilfe des Computers in 20 Grauwerte zerlegt. Mit seinen 280000 Glassteinen, Pixeln gleichsam, ist das Mosaik glasgewordenes Telebild. 2. Die schräg hängende, blaue Glasplatte wirkt wie ein abstraktes Relief. Sie ist Übergang von der zweiten in die dritte Dimension und Übergang von der Abbildung zur Wirklichkeit. D.h. die Glasplatte ist eine Glasplatte, aber auch Bild eines Abhanges, über den sich das Wasser ergiesst, so, als ob der darüber im Bild dargestellte Schnee tatsächlich schmelzen würde. 3. Das dreidimensionale Auffangbecken: es ist Becken und sonst nichts. Und doch deutet sich durch die erhöhte Rückseite eine Perspektive an, die dem Becken eine leicht illusionistische Tiefenwirkung verleiht. Der hängende Brunnen erscheint wie ein Gebirgswasserfall. Dabei gibt die illusionistische Vergegenwärtigung ihre Konstruktion preis und zeigt die Bedingungen ihrer Inszenierung. Dies allerdings verhindert keineswegs den Realität suggerierenden Sog. Er wird bedingt durch das tatsächlich herunterstürzende Wasser, aber auch durch die körperliche Einbeziehung des Betrachters. Um das Gipfelbild zu sehen, blickt er wie vom Tal ins Gebirge steil nach oben. Von der Galerie aus schaut er wie von einer Aussichtskanzel auf das künstliche Naturschauspiel, auf eine »Theatermaschinerie«, deren zur Naturerhabenheit überredende Rhetorik er fast erläge, wäre da nicht doch die ironische Brechung durch die Konstruktion. Der hängende Brunnen bezeichnet die Topographie des Flughafens am Rande der Alpen, er verortet den Ort. Er erzeugt aber auch entortend den eigenen Ort: Im Flughafengebäude steht der Betrachter gleichsam im Freien vor einem - wie sollte es im Zeitalter der Bewegung anders sein - »transportablen« Wasserfall. Heinz Schütz |
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